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Dan Brown: The Secret of Secrets (2025)

Prag, Hirnforschung und Deep State: Ein gelungener Dan Brown

Die Romane von Dan Brown sind immer wieder nach demselben Schema gestrickt, und mal geht das Konzept wunderbar auf, mal gerät es langweilig und langatmig. Dieses Mal ist das Konzept wieder voll aufgegangen. Der Roman ist rasant, wendungsreich, bildungsschwanger und thematisch interessant: So muss ein Dan Brown sein.

Der Leser bekommt eine herrlich rasante Jagd durch die Handlung des Romans präsentiert. Es gibt zwei große Themen: Einerseits Hirnforschung, Nahtoderfahrung, nicht-lokales Bewusstsein, Noetik und Chip-Implantate im Gehirn, und was man damit machen kann. Der Roman beginnt fast esoterisch, doch es klärt sich alles realistisch auf: Dan Brown übertreibt das Thema nicht ins Phantastische, sondern bleibt im Rahmen des zumindest Möglichen und Denkbaren und Diskutierbaren.

Andererseits geht es um den Deep State der USA, hier speziell um die CIA und ihre Firma In-Q-Tel. In-Q-Tel investiert in alle möglichen Technologien, damit die CIA immer einen Fuß in der Tür hat. Außerdem erwirtschaftet die CIA auf diese Weise Erträge, mit der sie Operationen finanzieren kann, von der die politische Führung nichts weiß: Der klassische Fall des Deep State. Dabei geht es auch um das Dilemma, wie weit ein Geheimdienst sich „schmutzige“ Hände machen darf, um das Gute in der Welt zu fördern und das Böse abzuwehren.

Dabei findet alles in Prag statt, der goldenen Stadt, deren Sehenswürdigkeiten konsequent abgeklappert werden. Interessant zu wissen, dass das Wort „Prag“ eine „Schwelle“ bezeichnet, auf Englisch: „Threshold“. Das Buch enthält einen gut gemachten Stadtplan, der dem Leser hilft, den Überblick zu behalten. Ja, der Leser weiß am Ende, was er in Prag sehen will, definitiv! Und trinken: Tschechischen Absinth.

Ein Nebenthema ist der Umgang der USA mit den Staaten, die sich unter ihre Hegemonie begeben haben: Werden sie wie Vasallenstaaten und Kolonien behandelt, in denen sich die USA alles herausnehmen können, oder zeigen die USA Respekt vor der Souveränität des jeweiligen Landes?

Dabei ist Dan Brown ein großes Lob auszusprechen: Andere Autoren hätten die obigen Ingredienzien dazu genutzt, ein antiamerikanisches Pamphlet zu schreiben. Nicht so hier! Es wird deutlich, dass der Deep State eben nicht identisch mit einem „bösen Amerika“ ist, sondern etwas, was auch aus Sicht der USA aus dem Ruder gelaufen ist. Wir sehen mehrere Beamte der USA auf verschiedenen Ebenen, wie sie glaubwürdig mit ihrem Gewissen ringen und die Dilemmata aufzulösen versuchen, in die sie durch den Deep State gebracht wurden. Am Ende gelingt es ihnen, die Verhältnisse zu einem guten Ende zu wenden, ohne dass es naiv pseudomoralisch oder antiamerikanisch wurde, sondern im Gegenteil: Es kommt das beste von Amerika zum Vorschein, mit viel pragmatischer Moral und Realismus.

Anders als in den vorigen Romanen ist Robert Langdon in diesem Roman zusammen mit einer Partnerin unterwegs. Das Techtelmechtel zwischen den beiden wird nicht übertrieben, und so ist auch dieser Aspekt des Romans gelungen.

Kritik

Es geht in diesem Roman um Prag, die Stadt des Golem und der großen astronomischen Uhr, die auch das Cover ziert. Man hätte erwartet, dass Dan Brown einige historische Rätsel mit diesen Dingen verbindet, die Robert Langdon im Laufe des Romans lösen muss. Doch das ist nicht der Fall. Die astronomische Uhr wird nur im Vorübergehen erwähnt und der Golem wird nur als Anspielung und Chiffre verwendet. Über die historischen Hintergründe der Uhr und des Golem erfährt man praktisch nichts.

Dass sich eine der Romanfiguren als Golem verkleidet und mit diesem eine Seelenverwandtschaft sieht, ist übrigens eine Übertreibung. Die Scharade will nicht so recht einleuchten, erst recht nicht mehr, wenn man gegen Ende des Romans das Geheimnis dieser Figur erfährt.

Nicht gelungen ist die Idee von Dan Brown, dass die Menschheit durch die Noetik an der Schwelle zu einem neuen Verständnis des Todes stünde, der uns allen die Angst vor dem Tod nehmen und damit zu einer friedlicheren Gesellschaft führen würde. Das ist für Dan Brown „the secret of secrets“, daher der Buchtitel. Zum Glück kommt diese misslungene Idee – obwohl der Titel des Buches auf sie hinweist – nur am Ende und am Rande des Romans vor. Hier ist philosophisch zu wenig investiert worden. Der Tod wird immer eine Schwelle bleiben, und alles jenseits davon ist uns unbekannt. Wissenschaft allein wird die Angst vor dem Tod niemals mindern können. Eine solche Besserung ist – in Maßen – höchstens von Religion und Philosophie zu erwarten. Dan Brown verweist mit Recht auf die Religiosität der Menschen des Mittelalters.

Der deutsche Verlag Lübbe blamiert sich übrigens, wo er kann: Das Buch ist zwar mit Karte, Lesebändchen und rot gefärbtem Buchschnitt gut ausgestattet, aber ein Preis von 32,- Euro ist dennoch unzweifelhaft ein monetäres Abgreifen der interessierten Leserschaft. Ein Preis von 25,- Euro wäre angemessen gewesen. Die Übersetzung ist weitgehend gelungen, dennoch fallen wieder einige Stellen auf, die man noch hätte glattbügeln können. An ganz wenigen Stellen zu Anfang fiel eine Beidnennung („Teilnehmerinnen und Teilnehmer“) als penetrant auf. Offenbar wollte da jemand mit penetranten Beidnennungen gendern, hat dann aber bald aufgegeben. Der Titel des Buches ist ebenfalls misslungen, er hätte analog zu den bisherigen Titeln aus einem Wort bestehen müssen, und das wäre in diesem Fall „Threshold“ gewesen.

Noch immer surft Lübbe auf der woken Welle: Auf der Internetseite des Verlages ist alles gegendert und in unerträglichem Regenbogen-Pastell gehalten. Doch in seinen Romanen gendert der Verlag nicht. Wenn diese Leute wirklich an die Genderei glauben würden, müssten sie dann nicht konsequent auch ihre Romane gendern? Und wenn sie ihre Romane nicht gendern, aus Rücksicht auf die Leser, heißt das dann, dass die Genderei auf der Internetseite eine einzige Rücksichtslosigkeit gegenüber den Lesern ist?

Bewertung: 5 von 5 Sternen.

Andreas Wilhelm: Die Projekt-Trilogie (2006/2007/2009)

Projekt Babylon (2006): Spannend – Interessant – Geistreich

Ein wirklich gelungener Roman. Andreas Wilhelm ist viel mehr als der „deutsche Dan Brown“. Sein Forschertrio ist viel besser geeignet, eine gemeinsame Suche nach der Wahrheit im Dickicht der Mythen und Überlieferungen darzustellen, weil Skepsis, Pragmatik und Herz viel besser repräsentiert werden. Hier wird nicht einfach an Übersinnliches geglaubt – es wird aber auch nicht zu trocken – und die weibliche Komponente wird nicht so seltsam ignoriert, wie bei Dan Brown. Auch erfindet Andreas Wilhelm nicht ganz so wilde Zusammenhänge, wie Dan Brown. Das Spannungsniveau ist in etwa dasselbe, man bekommt wirklich etwas geboten. Dieser erste Band einer Trilogie, der eine in sich abgeschlossene Handlung hat, enthält auch bereits deutliche Hinweise, wo alles enden wird im dritten Band – für den, der sich auskennt : – )
Alles in allem: Große Leseempfehlung!

Bewertung: 5 von 5 Sternen.

Projekt Sakkara (2007): Der Autor weiß wovon er schreibt und präsentiert es meisterlich

Dieser zweite Teil der Projekt-Trilogie ist erneut eine gelungene Überraschung: Denn anders als bei anderen Autoren flacht Andreas Wilhelm in seinem zweiten Band keineswegs ab. Im Gegenteil: Er dreht so richtig auf und liefert eine Komplettverarbeitung der ägyptischen Kultur und all ihrer Geheimnisse, sowie ihrer Entdeckungsgeschichte, die das Herz jeden Kenners höher schlagen lassen muss. Erneut beweist Andreas Wilhelm auch, dass er die Gratwanderung zwischen Wissenschaft, Pseudowissenschaft und Esoterik meisterlich beherrscht. Plumpe Geschmacklosigkeiten unterbleiben konsequent, statt dessen souveräne Raffinesse und Ironie ohne Ende – da kommt man auch als Skeptiker voll auf seine Kosten. Überhaupt bemerkt man, dass der Autor ein Themengebiet nicht nur „verarbeitet“, sondern sich selbst bestens darin auskennt.

Bewertung: 5 von 5 Sternen.

Projekt Atlantis (2009): Phantastisches Ende einer spannenden Suche – pro und contra

Das Forscherduo Peter und Patrick, wie immer ergänzt um eine Frau, macht sich in diesem dritten und letzten Band der Projekt-Trilogie dazu auf, das letzte und größte Geheimnis zu ergründen: Atlantis.

Da das Thema Atlantis im Gegensatz zu Templern oder Ägyptern z.Z. noch wenig real vorzuzeigende Substanz aufzuweisen hat, weitet sich die Story dieses Mal zu einer phantastischen Geschichte aus, die eines Jules Verne würdig gewesen wäre (man denkt unwillkürlich an „20000 Meilen unter dem Meer“ oder die „Reise zum Mittelpunkt der Erde“). Leider geht dabei ein wenig der Zauber verloren, der in den beiden ersten Bänden davon ausging, dass das Mystische sich sehr eng in das Bekannte und Erforschte einbettete. Die Gratwanderung zwischen Wissenschaft, Pseudo-Wissenschaft und Esoterik wurde in diesem dritten Band leider deutlich verfehlt.

Es ist aber dennoch eine grandiose Abenteuergeschichte. Gut gefallen hat auch die realistische Darstellung eines Meeresforschungsprojektes: Das Schiff, die Technik, die Mannschaft, die Organisation. Auch das Verhalten der Medien wurde gut getroffen. Ganz amüsant war die Darstellung typischer Phänomene, wie es sie in der real existierenden Atlantisforschung tatsächlich gibt: Die Skeptiker, die Spinner, die Hochstapler, die verkannten Seriösen, die Selbstzweifel, die Euphorie, und noch einmal: die Medien und ihr ganz spezieller Blinkwinkel.

In einem Punkt stiftet der Autor unnötig Verwirrung (Nachwort): Das Atlantis des Romans entspricht zwar durchaus einem Teil des Mythengeflechts, das sich im Laufe der Jahrhunderte um das Thema Atlantis gesponnen hat – aber es wäre erwähnenswert gewesen, dass dieses Atlantis natürlich nicht dem originalen, von Platon beschriebenen Atlantis entspricht. Im Roman wurde vielmehr auf Vorstellungen von Atlantis zurückgegriffen, wie sie Ignatius Donnelly, mehr noch, wie sie Esoteriker und Theosophen im Laufe der Zeit sich frei zusammengedichtet haben. Wer sich hingegen auf eine realistische Weise mit dem originalen Atlantis des Platon beschäftigen möchte, dem sei z.B. folgendes Buch empfohlen: Thorwald C. Franke: Mit Herodot auf den Spuren von Atlantis – Könnte Atlantis doch ein realer Ort gewesen sein?

Weitere Schwächen sind

Das Verhalten des Kommandanten des Marine-Stützpunktes ist unrealistisch: Es ist kaum anzunehmen, dass ein professioneller Soldat nicht misstrauisch wird, wenn ein Außenstehender plötzlich über militärische Interna Bescheid weiß – und als Familienvater praktisch seine ganze Karriere aufs Spiel setzt, vielleicht sogar Gefängnis riskiert. – Etwas unlogisch war, dass die dunkle Trennschicht diesmal für die Elektronik durchlässig war. Diese für den Fortgang der Handlung wichtige Frage hätte man anders umschiffen müssen. – Ebenfalls etwas schwach motiviert war die Auffindung nicht von einer, sondern gleich von zwei Textquellen zu Atlantis. Wie es aussieht, hätte die aus Alexandria vollkommen genügt. Wozu dann die andere? – In Projekt Atlantis führen plötzlich vier Brücken zum Zentrum von Atlantis, während in den ersten beiden Bänden der Grundriss der Anlage nur einen solchen Zugang zum Zentrum aufweist, wie es ja auch der Beschreibung Platons entspräche. – Etwas enttäuschend war, dass keine näheren Inhalte aus dem vollständigen Manuskript des Platon-Dialoges Kritias präsentiert wurden. Man kann nicht die Auffindung einer so heißen Textquelle postulieren, aber dann kaum daraus zitieren.

Schließlich kann man noch den philosophischen Gehalt der Trilogie beleuchten: Alles in allem gut gemeint, aber doch etwas seicht. Liebe, Mitmenschlichkeit und Verantwortung als Werte sind ja nicht ganz neu. Problematisch wird es mit dem Motto „Wage zu wissen“: Denn Wissen erschließt sich dem Menschen in der realen Welt nicht aus telepathischen Archiven, sondern aus langwierigen Lern- und Denkanstrengungen, die teils harte Desillusionierungen und Enttäuschungen erfordern. Von einer solchen realistischen Erkenntnisphilosophie war aber kaum etwas zu sehen. Am beeindruckendsten war vielleicht die Verwandlung von Patrick im zweiten Band, die im dritten Band dann leider etwas unterging.

Alles in allem

Die Projekt-Trilogie von Andreas Wilhelm ist ungeachtet gewisser Schwächen längst dabei, ein Kult zu werden wie die Bücher von Dan Brown. Es ist die Spannung der bildungsschwangeren Schnitzeljagd in mysteriösen Gefilden, die es wohl ausmacht. Formal ist da außerdem nicht nur die Prägung von wiederkehrenden Motiven in den drei Romanen, sondern es ist auch die Homepage mit Trailer und eigens komponierter Musik: Man kann es kaum erwarten, bis man im Kinosessel sitzt, die Werbung vorbei ist, der Saal noch ein wenig dunkler wird, der Vorhang noch ein Stück weiter zur Seite rückt, und dann in völliger Dunkelheit diese Musik zu erklingen beginnt … – was ein Feeling!

Bewertung: 4 von 5 Sternen.

(Erstveröffentlichung auf Amazon am 13. Februar und 25./26. März 2009)