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Jostein Gaarder: Sofies Welt – Roman über die Geschichte der Philosophie (1991)

Genialer Roman, geniale Philosophie-Einführung, nicht nur für Jugendliche

Die Grundidee von Jostein Gaarders „Sofies Welt“ ist genial: Philosophie wird nicht nur trocken abgehandelt, sondern auch gleich praktisch vorgeführt. Dabei ist dem Autor auch eine bemerkenswerte Buch-im-Buch-Konstruktion gelungen, die ihresgleichen sucht. Die Darlegung der philosophischen Ideen ist zudem sehr überzeugend und ausgewogen gelungen. Auch die Auswahl der dargestellten Philosophen geht in Ordnung und wird sinnvoll durch einen Gang in eine Buchhandlung und den Blick zum Sternenhimmel ergänzt. Die Story hat Esprit und saugt einen in sich hinein.

Wichtigster Schwachpunkt ist eine zu sanfte Kritik gegenüber Gottesglaube und Religion, die einen jungen Ministranten aus behütetem Hause kaum ins Grübeln bringen dürfte. – Gleich das nächste Problem ist die affirmative Übernahme des Zeitgeistes der 1980er Jahre, die mit den Stichworten „Öko“ und „Uno“ bezeichnet sei. Ein Philosoph ist eher linksliberal, so scheint es, während auf gesellschaftliche Ordnung bedachte Menschen eher keine Philosophen sind. Aber diese Ausfälle halten sich in Grenzen und haben teils ein inzwischen schon nostalgisches Flair an sich.

Zu Beginn des Romans hat man den Eindruck, dass zu wenig geschieht und zuviel über Philosophie doziert wird. Doch das legt sich schnell. – Schließlich scheint das Entkommen der beiden Hauptpersonen aus der Gedankenwelt des Majors nicht völlig überzeugend zu sein, da sie in einer Phantasiewelt landen; es wäre vielleicht besser gewesen, wenn sich Sofie und Alberto als Alter Egos von Hilde und dem Major herausgestellt hätten, dann wäre ihr Entkommen aus einer unterbewussten Existenz überzeugender gewesen.

Fazit: Genial mit kleinen Schwächen, ein guter Einstieg in die Philosophie nicht nur für Jugendliche, und eine verrückte, lesenswerte Geschichte. Lesen!

Bewertung: 5 von 5 Sternen.

(Erstveröffentlichung auf Amazon am 23. August 2012)

Jostein Gaarder: Das Kartengeheimnis (1990)

Genial verschränktes Werk voller Esprit – hier wird Philosophie lebendig erfahrbar

Das „Kartengeheimnis“ von Jostein Gaarder ist eine geniale Verschränkung verschiedener Handlungsstränge ineinander: Eine Reise nach Griechenland, ins Mutterland der Philosophie. Eine Reise in die Vergangenheit einer Familie und ihrer Brüche. Und eine Reise auf eine magische Insel, auf der die Phantasieprodukte eines Schiffbrüchigen plötzlich reale Gestalt annehmen und Teil der wirklichen Welt werden. Wenn die 53 Karten eines Kartenspiels lebendig werden und gemäß ihrer Funktion agieren, entsteht eine ganz eigene Welt, die uns auch über unsere wirkliche Welt einiges lehren kann. Denn wie wirklich ist eigentlich die Wirklichkeit? Und dann ist da noch der Joker im Spiel …

Diese mit viel Esprit geschriebene Geschichte ist ganz nebenbei auch eine wunderbare Vater-Sohn-Geschichte. Ebenso nebenbei leistet Jostein Gaarder dankenswerterweise auch die Aufarbeitung eines Teils der norwegischen (und europäischen) Unheilsgeschichte, nämlich die Thematisierung der Hassverbrechen der im Zweiten Weltkrieg von Deutschland besetzten Völker an jungen Frauen, die sich mit deutschen Soldaten eingelassen hatten.

Prädikat: Sehr wertvoll. Besser als „Sofies Welt“.

Bewertung: 5 von 5 Sternen.

(Erstveröffentlichung auf Amazon am 27. Oktober 2019)