Schlagwort: Landwirtschaft

John Irving: Gottes Werk und Teufels Beitrag (1985)

Literarisch mäßiges Jubelbuch der linksliberalen Schickeria

Eine kleine Vorbemerkung um Missverständnisse zu vermeiden: Der Autor dieser Rezension ist cum grano salis für die rechtliche Freigabe der Abtreibung. Und damit zur Sache:

Dies ist ein politischer Roman, der der rechtlichen Freigabe der Abtreibung und der gesellschaftlichen Akzeptanz dafür das Wort reden möchte. Zu diesem Zweck werden dem Leser alle möglichen und unmöglichen Situationen vor Augen geführt, wie es zu einer ungewollten Schwangerschaft kommt, und dass eine Abtreibung sich jeweils als einzig vernünftige Lösung aufdrängt, weil alle Alternativen einfach nur absurd sind. Ständig droht auch der Gang zum Kurpfuscher, wenn kein professioneller Arzt sich der Sache annimmt. Soweit ist das Buch sehr aussagestark. Literarisch bewegt es sich jedoch nur auf mittelmäßigem Niveau, wie es bei politisch motivierten Romanen oft der Fall ist.

Die eigentlichen Probleme dieses Buches liegen aber in dem, was der Autor systematisch unterschlägt, verschweigt und nicht anspricht. Eine ethisch fundierte Aufarbeitung der Problematik findet sich in diesem Buch leider nirgends, obwohl sie gerade für ein Projekt wie dieses dringend angezeigt wäre. Über das hemdsärmelige Niveau des zupackenden Pragmatismus, der auf einen Blick zu sehen vermeint, was das Gute und Richtige ist, kommt das Buch nicht hinaus.

So einfach ist es mit dem Abtreiben aber dann doch wieder nicht, sofern und falls man z.B. davon ausgeht, dass dabei ein mit voller Würde ausgestatteter Mensch getötet wird; falls man wirklich (!) in diesem Bewusstsein lebt, z.B. als religiöser Mensch, wird die Sache ethisch nämlich verdammt schwierig, und eine Abtreibung erscheint dann oft eine ebenso absurde „Lösung“ zu sein wie alle anderen „Lösungen“. Oder aber man ist im Gegenteil überhaupt nicht der Auffassung, dass da ein mit voller Würde ausgestatteter Mensch getötet wird; aber in solche Gedankengänge begibt sich das Buch erst gar nicht hinein. Dieses Buch verhält sich gemäß dem bekannten Argument, dass jede Frau sich eine Abtreibung sehr genau überlege – aber wie eine solche Überlegung im Einzelnen aussieht, das bekommt man dann praktisch nie zu Gesicht, denn die Überlegung läuft (meistens, nicht immer) auf genau dem Niveau ab, das von diesem Buch hier markiert wird, was schade ist.

Zu akzeptieren sind die geschilderten Situationen, die zu ungewollte Schwangerschaften führen (Vernachlässigte Jugendliche, Vergewaltigung, Pubertät, andauerndes Verhältnis mit der Ehefrau eines Kriegsversehrten, Sex ohne Liebe usw. usf.), denn sie sind Teil der Realität. Traurig jedoch, dass dem Autor als einziges Gegenmittel der Gebrauch von Verhütungsmitteln einfällt, speziell von Kondomen, deren Zuverlässigkeit bekanntlich Grenzen kennt. Die Kultivierung der Menschen (damit ist keine katholische Sexualmoral gemeint, sondern die Entwicklung selbstbestimmter Charaktere in geordneten Verhältnissen) wäre von einem kultivierten Autor ebenfalls zu erwähnen gewesen. Nicht, dass das eine Patentlösung wäre, eine solche gibt es nicht, aber die Kultivierung der Menschen ist ein wichtiger Beitrag zur Einhegung des Problems. Spätestens mit Aids hat sich das Buch in diesem Punkt ohnehin völlig überholt, es stammt unmittelbar aus der Zeit vor dem Beginn der öffentlichen Wahrnehmung von Aids.

Nebenbei finden sich kleine politische Seitenhiebe linksliberaler Provenienz. Der eine mogelt sich z.B. um den Wehrdienst herum und gilt als clever und klug, der andere opfert seine Beine im Krieg gegen die Feinde der Demokratie und gilt als naiver Depp. Niveau geht anders, kann man da nur trocken sagen.

Fazit

Alles in allem handelt es sich leider um ein literarisch mäßiges, politisches Jubelbuch der satten, linksliberalen Middle- und Upperclass-Schickeria, die sich hier in ihren Halbwahrheiten selbst feiert, statt Horizont zu gewinnen. Konservative Abtreibungsgegner hingegen werden durch die genannten Schwachstellen abgestoßen und bekommen praktisch keine echte Gelegenheit, Anknüpfungspunkte für ein Nachdenken und Umdenken zu finden. Aber wäre nicht genau das ein Zeichen guter Literatur gewesen?

Bewertung: 2 von 5 Sternen.

(Erstveröffentlichung auf Amazon am 24. August 2012)

Mary Taylor Simeti: On Persephone’s Island – A Sicilian Journal (1986)

Ingenious description of life and customs on Sicily

As a young student from New York Mary Taylor Simeti came to Sicily, fell in love, married and lived her life on the island as an expatriate. This means she is in the double-role of an insider and an outsider and thus the perfect reporter on atmosphere, life and customs on Sicily, far better than any journalist traveling around for some months.

The book is organized following the seasons of the year thus showing the close relationship of life on Sicily to nature. Farming, plants, flowers, climate, public holidays and harvesting are important parts of her life. But the author also writes about her husband’s family and how she integrated step-by-step into the Sicilian society. Greek mythology does not play a central role but it is interesting to see how the author makes practical use of otherwise only academically treated myths. Life with the silent presence of the Mafia is a topic as well as customs like Easter processions and the widely unknown virgineddu. As an American the author wonders how Sicilians organize themselves, such as concerning her children’s school or how to get entrance to a historical building on a military site.

The book covers the time of the 1970s and 1980s and shows many features of the time: The author came to Sicily to support Danilo Dolci driven by a somewhat romantic social idealism, then we read again and again how she marched in demonstrations against American missiles on Sicily, or against the Mafia, or to protect a natural reserve. The author declares to be glad that anti-communism lost its strength. Old fotographs on the Web site of her winery „Bosco Falconeria“ show the typical beards and clothings of leftist students around 1968. From today’s point of view (2013) this does not seem so political any more but rather like folklore of these times in a certain social milieu. All in all Mary Taylor Simeti did not strive for communism but lived a good life as owner of several houses in Palermo and Alcamo and of course the farm Bosco Falconeria near Palermo, and she lets us readers take part in the sufferings and rewards of such a Sicilian life. Thank you!

PS 18.11.2024

Being grown up in a rural area in southwest Germany, I observed some striking similarities: There is e.g. the religious procession of the local saints. Then, the harvesting with the help of he entire family. And even the technicalities of the fruit press are similar, only, that in Sicily it is all about olives, while in Germany is is about apples and pears. And of course, there is more sun than in the rest of the country. It seems that „southern Catholic provinces“ are everywhere the same.

Bewertung: 5 von 5 Sternen.

(Erstveröffentlichung auf Amazon am 07. Februar 2013)