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Ayn Rand: Atlas Shrugged (1957)

Heilsame (Über-)Reaktion auf religiös-sozialistische Vernunftwidrigkeiten

Mit „Atlas Shrugged“ hat Ayn Rand einen Weltanschauungsroman geschrieben, der für viele zu einer Offenbarung, für viele aber auch zu einem Hassobjekt geworden ist. Im Mittelpunkt steht die Idee vom produktiven Menschen, der stolz ist auf seine Errungenschaften, und die Erkenntnis, dass ein Eingreifen in Eigentum und Freiheiten der produktiven Menschen durch soziale Dummschwätzer erstens verlogen und zweitens dumm ist, weil es nicht zu Wohlstand und Gerechtigkeit, sondern zu Niedergang und Ungerechtigkeit in der Gesellschaft führt. Um diese Grundidee herum hat Ayn Rand eine komplette eigene Weltanschauung entwickelt, derzufolge der Egoismus moralisch ist. Für religiös und / oder sozialistisch sozialisierte Menschen ist diese Idee natürliche eine ungeheure Provokation.

Der Roman ist also eine Parabel mit philosophischer Aussage, doch weder trocken noch belehrend geschrieben (mit Ausnahme einiger zu lang geratener Reden). Vielmehr ist es Ayn Rand gelungen, eine realistische und glaubwürdige Handlung zu entwerfen, die den Leser in eine ganz erstaunliche und spannende Geschichte hineinzieht, von der der Leser oft erst hinterher bemerkt, dass sie nicht nur realistisch, sondern auch beeindruckend symbolisch ist. Neben dieser kunstvollen Konstruktion sind auch die enthaltenen Charakterstudien und Dialoge von produktiven Menschen und sozialen Dummschwätzern Perlen der Literatur.

Erstaunlich ist, wieviele Charaktere, Parolen und exemplarische Situationen aus diesem Roman man auch heute noch in seiner unmittelbaren Gegenwart wiedererkennen und selbst erleben kann. Gerade auch deshalb wird den Leser bisweilen ein unheimliches Gefühl beschleichen: In was für einer Welt lebt man eigentlich? Wie weit sind Freiheit und Vernunft bereits von sozialen Dummschwätzern untergraben worden?

Zu den Dingen, die Ayn Rand zweifelsohne richtig erkannt hat, gehören:

  • Vernunft muss über allem walten. Nur mit ihr können wir unser Universum geistig ordnen, d.h. verstehen, um dadurch fähig zu werden, das Universum auch physisch zu ordnen, d.h. sinnvoll in die Wirklichkeit einzugreifen.
  • Die Realität muss anerkannt werden wie sie nun einmal ist.
  • Man ist vollkommen selbst verantwortlich für die eigene Erkenntnis und das eigene Denken, niemand kann es einem abnehmen.
  • Erkenntnis ist ein ewig fortschreitender Prozess von Irrtum und Selbstkorrektur.
  • Man darf sich eine hinreichend klare Erkenntnis nicht von Relativisten als übertrieben oder überheblich ausreden lassen, sondern man muss sie festhalten.
  • Die Selbstliebe, die Liebe zum Leben, ist der wahre und einzige Antrieb für Moral.
  • Die Selbstachtung darf der Mensch nicht verlieren.
  • Moral ist nicht zuerst das Verhalten zu anderen, sondern das Verhalten zu sich selbst. Auch auf einer einsamen Insel braucht der Mensch Moral. Das Verhalten zu anderen ist ein Ausfluss des Verhaltens zu sich selbst.
  • Materieller Besitz ist der legitime Ausdruck des Geistes, der ihn erschaffen bzw. erwirtschaftet hat.
  • Der Geist ist das Entscheidende, nicht das Kapital.
  • Geist und Materie dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, sie ergänzen sich und gehören zusammen.
  • Der Mittelweg ist nicht immer der richtige Weg; oft gibt es gar keinen Mittelweg.
  • Gerechtigkeit, nicht Barmherzigkeit, ordnet die sozialen Beziehungen in gesunder Weise.
  • Liebe kommt aus Wertschätzung, und ist keineswegs antirational.
  • Man kann nicht alle Menschen lieben, das ist eine Überforderung und unrealistisch.
  • Alles muss einen Zweck haben, niemand sollte eine Sache nur um ihrer selbst willen tun.

Perfekt gelungen ist Ayn Rand die Zeichnung der Charaktere. Die produktiven Menschen sind stolz auf ihre Errungenschaften, und dieser Stolz treibt sie dazu an, noch besser zu werden. Sie sind wie Künstler, die innerlich dazu getrieben sind, eine Vision, die in ihnen schlummert, in einem Werk zum Ausdruck zu bringen. Sie schaffen Werte, von denen auch weniger produktive Menschen profitieren. Ihr Besitz spiegelt ihren Geist wieder. Sie sind Meister darin, ihre Ziele gegen alle auftauchenden Widerstände zu erreichen. Oft jedoch sind es praktische Menschen, die über größere Zusammenhänge nie nachgedacht haben. Deshalb akzeptieren sie das Eingreifen von sozialen Dummschwätzern in ihren Besitz und ihre Freiheit als „moralisch“. Ihre Eigenschaft, Schwierigkeiten überwinden zu können, lässt sie erst spät erkennen, dass die sozialen Dummschwätzer immer mehr und immer Unmöglicheres von ihnen verlangen.

Den produktiven Menschen stehen die sozialen Dummschwätzer gegenüber: Sie machen Grundannahmen über die Welt, ohne dass sie sich dessen überhaupt bewusst sind: Dazu gehört die Vorstellung, dass der Staat unendlich viel Geld hat; dass die produktiven Menschen immer genügend motiviert sein werden, egal welchen Regeln man sie unterwirft; dass die produktiven Menschen so unendlich reich sind, dass es ihnen nichts ausmacht, noch mehr und noch mehr abzugeben. Die sozialen Dummschwätzer denken nur an die Umverteilung von Geld, nicht aber daran, wie Werte / Geld erwirtschaftet werden; wie wenn dies von selbst und immer in ausreichendem Maße geschähe. Die sozialen Dummschwätzer weichen bei Nachfragen aus, sobald man sie mit logischen Widersprüchen in ihrem Weltbild konfrontiert. Moralisch ist für sie nur das, was man für andere tut, und nur das, was Opfer fordert. Die Sorge für sich selbst zählt für sie nicht zur Moral. Religiöse Menschen weichen tieferem Nachdenken oft mit dem Verweis darauf aus, dass es wohl Gottes Wille ist, oder dass Gott ein Problem schon lösen wird, oder dass der Mensch zu klein sei, um sich an die Lösung großer Probleme zu wagen. Die intellektuellen Vordenker des sozialen Denkens neigen dazu, Vernunft und Realitätssinn zu schmähen; sie entfesseln die irrationale, neidische, gefühlsgetriebene Bestie in den Menschen. Im Extremfall kommt es zu Diktatur und Mord, bis die Sache sich nach längerer Zeit totgelaufen hat, und keine motivierten produktiven Menschen mehr übrig sind, die die Gesellschaft am Laufen halten könnten. Der Plot von „Atlas Shrugged“ ist es, diesen Prozess des Niedergangs durch einen Streik der produktiven Menschen massiv zu beschleunigen, um so das Endstadium schneller zu erreichen, und den Wiederaufbau zu ermöglichen.

Kritik – Ohne Wissen Antike

Was Ayn Rand hier vorgelegt hat, ist eine Philosophie, die in vielen Punkten mit den philosophischen Errungenschaften der Antike übereinstimmt. Man denke an das Werk „De officiis“ von Cicero, das Friedrich der Große einst „das beste Buch über Moral“ nannte: Dort wird auch der eigene Nutzen in den Mittelpunkt gestellt, und das honestum als nützlich angesehen: D.h. das Ehrenhafte, bzw. das, wofür man geehrt werden würde, wenn es gerecht in der Welt zuginge, sprich: Die Selbstachtung. Die unbedingte Anerkennung der Realität finden wir z.B. bei den Stoikern: Secundum naturam vivere: Gemäß der Wirklichkeit leben.

Leider scheint sich Ayn Rand über diese antiken Wurzeln nicht bewusst zu sein. Sie nennt nur Aristoteles als ihren großen Vordenker, aber das ist nur einer von vielen. Dass Parmenides gemeinhin als der Philosoph angesehen wird, der die Vernunft begründete, ist ihr entgangen. Platon hingegen, das Zentrum der antiken Philosophie, wird von den Anhängern von Ayn Rand als Gegensatz zu Aristoteles und damit negativ gesehen, was vollkommen falsch ist.

Kritik – Selfmade-Philosophie ohne Potential

Auf diese Weise verliert die Philosophie von Ayn Rand an Tiefe und Anschlussfähgikeit, denn diese entsteht nur durch eine Anknüpfung an die Tradition. Ayn Rand erscheint wie eine einsame Einzelkämpferin, mit einer scheinbar originellen Idee, die aufgrund ihrer scheinbaren Alleinstellung zunächst etwas abstrus wirkt. In Wahrheit steht Ayn Rand in der größten denkerischen Tradition der Menschheit, nur wissen zu wenige davon; sie selbst vielleicht auch nicht.

Auch ist manches bei Ayn Rand einseitig oder schräg geraten, was durch eine bessere Kenntnis der antiken Denker leicht hätte korrigiert werden können. Solange die Anhänger von Ayn Rand in diesen Denkfehlern verharren, und den Anschluss an die Tradition nicht suchen, werden sie Einzelkämpfer bleiben, und keine neue Traditon begründen können.

Die Selfmade-Philosophie von Ayn Rand ist natürlich dennoch wertvoll und eine anzuerkennende, „echte“ Philosophie, denn letztlich sind wir alle jeder für sich ein Selfmade-Philosoph, jeder nach seinen Möglichkeiten. Ayn Rand hat vielen Menschen zu besseren Einsichten verholfen, auch wenn sie ihr Potential nicht ausgeschöpft hat.

Kritik – Gefahr einer kollektiven Weltanschauung

Ayn Rand sagte, dass sie keine Weltanschauungsgemeinschaft gründen möchte. Doch im Grunde hat sie genau das getan. Denn ihre Bücher präsentieren eine kompakte, geschlossene Sicht der Dinge. Es werden keine offenen Fragen gestellt, es wird kein Denken angeregt, um eigene Antworten zu finden. Vor allem fehlt Ayn Rand der vielfältige Hintergrund der antiken Philosophie, der ihren Anhängern ein geistiges Umfeld hätte bieten können, um sehr individuelle Weltbilder zu entwickeln.

Tatsächlich haben sich diverse Institutionen gegründet, um die sich die Anhänger des „Objektivismus“ scharen. Allein die Prägung eines Namens für eine Weltanschauung ist bereits ihre Gründung. Es gibt auch einen teils dogmatischen Streit um den wahren Objektivismus. Man muss allerdings zugute halten, dass der Individualismus im Objektivismus so stark betont ist, dass das Schlimmste hoffentlich verhindert wird.

Kritik – Schräges

Ayn Rand hätte deutlicher aussprechen müssen, dass ein unbedingter Wille zur Wahrhaftigkeit wichtig ist, und dass es Arbeit und Mühe und Selbstüberwindung kostet, diesen zu erwerben und zu halten. Die sozialen Dummschwätzer weichen nämlich bei Konfrontation mit Widersprüchen nicht einfach nur deshalb aus, weil sie irrational sind, wie Ayn Rand schreibt. Sondern sie weichen der Anerkennung der Wahrheit gerade deshalb aus, weil für sie der Glaube an das (vermeintlich) Gute stärker ist als der Glaube an die reinigende Kraft der Wahrhaftigkeit auch dort, wo es vielleicht pingelig erscheint. Die sozialen Dummschwätzer glauben tatsächlich, dass eine Lüge eine legitime Waffe ist, um das Gute zu verteidigen, weil sie die Gefahr nicht sehen, dass ein zu hoch getürmtes Lügengebäude sie in Konflikt mit der Wirklichkeit bringt. Dass es ein Problem sein könnte, die Wahrhaftigkeit als nutzlose Pingeligkeit zugunsten des (vermeintlich) Guten beiseite zu schieben, ist ihnen nicht bewusst! Neben dem Willen zur Vernunft ist der Wille zur Wahrhaftigkeit ebenso wichtig, das hat Ayn Rand nicht ausreichend betont.

Ayn Rand hat die Frage nach dem Mitgefühl fast vollkommen übergangen und degeneriert. So schreibt sie S. 970: Hilfe für einen anderen ist in Ordnung, wenn man durch die Anerkennung der Werte des anderen selbst Nutzen in Form von Freude aus der Hilfe zieht. Zunächst hat sie damit das Mitgefühl nur für diejenigen Menschen reserviert, die es wert sind. Der Gedanke, dass man in jedem Menschen allein schon das Potential zum wahren Menschsein und das Potential zum menschlichen Leiden achten muss, fehlt. Damit ist Ayn Rand keine vollwertige Humanistin.

Es fehlt bei Ayn Rand auch die Verdeutlichung des Prinzips, dass das Mitgefühl keineswegs völlig ausgeblendet wird, sondern weiterhin bestehen bleibt als ein berechtigter Faktor unter anderen Faktoren in der eigenen Nutzenkalkulation. Für das Zusammenleben ist das Kalkül mit dem Mitgefühl so zentral, dass es verwundert, dass es bei Ayn Rand nicht mehr in den Mittelpunkt gerückt wird. Die meisten Leser werden nach Abschluss der Lektüre vermutlich das Verständnis gewonnen haben, dass das Mitgefühl als Absolutum böse und deshalb vollkommen ausgeschlossen ist. Denn verlangt nicht John Galt von Dagny Taggart Geld dafür, dass er sie nach ihrem Flugzeugabsturz als Gast aufnimmt und gesund pflegt?

Die Ablehnung von Immanuel Kant durch Ayn Rand gründet sich vermutlich auch darauf, dass Ayn Rand es ihrerseits versäumt hat, die Rolle des Mitgefühls deutlicher zu betonen, und dass Kant es seinerseits versäumt hat, auf den Egoismus in seiner Ethik deutlicher hinzuweisen. Deshalb sieht Ayn Rand in Kant nur einen sozialen Dummschwätzer, der die Selbstaufopferung für andere als Absolutum definiert hätte. Rand und Kant reden aneinander vorbei.

Ayn Rand löst auch den Widerspruch zwischen Gefühl und Verstand nicht auf, sondern entscheidet sich kalt für den Verstand, der über das Gefühl zu stellen ist. Der Gedanke, dass Verstand und Gefühl zwei völlig verschiedene Dimensionen sind, die recht besehen gar nicht in Konflikt miteinander liegen können, fehlt bei Ayn Rand. Was sie hätte sagen sollen, ist, dass es ein Gefühl aus Erfahrung ist, das uns sagt, dass die Benutzung der Vernunft gut tut. Überall dort, wo angeblich Verstand und Gefühl im Konflikt sind, sind in Wahrheit zwei Gefühle miteinander im Konflikt.

Völlig vergessen hat Ayn Rand ein Stereotyp, das für soziale Dummschwätzer vollkommen typisch ist: Das pazifistische Gerede vom Frieden. Auch hier hätte die Antike helfen können: Si vis pacem, para bellum: Wenn Du Frieden willst, rüste zum Krieg. Der Schwache lädt zum Krieg ein, der Starke schreckt andere vom Kriegführen ab.

Kritik – Zu idealistisch für die gesellschaftliche Realität

Die soziale Frage wird in „Atlas Shrugged“ nicht berührt. Was ist mit Menschen, die nicht hinreichend produktiv sein können? Mit Behinderten, Alten, Kranken oder weniger intelligenten Menschen? Sie repräsentieren keinen Wert, den man im Sinne Ayn Rand schätzen könnte, so dass sie nicht einmal Almosen verdient hätten; aber auch Almosen sind keine gute Antwort auf eine gesellschaftliche Herausforderung. Schon im antiken Athen gab es eine staatliche Armenfürsorge. Ayn Rand hat ein viel zu ideales, zu perfektes, zu glattes Menschenbild.

Ayn Rand sagt generell nichts zu der Problematik, dass die Intelligenz in der Gesellschaft sehr ungleich verteilt ist. Wie soll man sich als intelligenter, produktiver Mensch in einer Welt einrichten, in der die meisten Menschen nicht so sind? Produktive Menschen sind eine zahlenmäßig machtlose Minderheit! Ohne ein Arrangement wird es nicht gehen. Bei Cicero finden wir z.B. die Überlegung, dass die Besitzenden sich politisch engagieren und einen sozialen Ausgleich suchen müssen, weil ihnen ihr rechtmäßiger Besitz sonst weggenommen wird. Eine derartige Überlegung ist bei Ayn Rand nicht zu finden.

Auch zum Thema Demokratie bzw. Republik sagt Ayn Rand nicht eben viel. Man hätte sich z.B. gewünscht, dass sie einen Satz wie den von Churchill formuliert: „Die Demokratie ist die schlechteste von allen Staatsformen, außer allen anderen.“ Aber sie schweigt. Immerhin lobt sie die Demokratie implizit, indem sie die Anfangsjahre der USA als ideale Zeit preist, und Richter Narragansett korrigiert am Ende des Romans die US-Verfassung, wodurch diese im Grundsatz anerkannt wird.

Recht unversöhnlich zeigt sich Ayn Rand auch gegenüber der Religion. Die Möglichkeit einer aufgeklärten Religiosität, die ihre eigene Geschichte historisch-kritisch aufgearbeitet hat und eine Moral der Lebensfreude predigt, blendet sie aus. Natürlich ist traditionelle Religion immer ein Mangel an Vernunft und Wahrhaftigkeit, aber sollte man nicht Abstufungen der Irrationalität unterscheiden, um das Zusammenleben der Menschen tolerant zu gestalten?

Überhaupt gibt das Buch „Atlas Shrugged“ wenig Handreichung für die Frage, wie man sich denn nun im wirklichen Leben verhalten soll. Die Diagnose ist top, die Therapie flop. Ein Streik der produktiven Menschen ist natürlich nicht realistisch. Im Extremfall könnte man außer Landes gehen, aber eine Lösung für das eigene Land ist das nicht.

Am Ende ihres Lebens nahm Ayn Rand selbst staatliche Wohlfahrt in Anspruch, was ihr immer wieder vorgeworfen wird. Sie hat also auch selbst nicht völlig nach ihren eigenen Idealen gelebt.

Kritik – Kapitalismus ist der falsche Name

Ayn Rand nennt die ideale Gesellschaftsordnung „Kapitalismus“ und ihr Symbol dafür ist das Dollarzeichen. Das erscheint seltsam, denn sie selbst schreibt doch auch, dass nicht das Kapital das Entscheidende ist, sondern der Geist, der dahinter steht. Wäre es demzufolge nicht angemessener gewesen, statt von Kapitalismus z.B. von Philosophie zu sprechen, und statt des Dollarzeichens z.B. das große griechische Phi (Φ) als Symbol für Philosophie zu wählen?

Für Ayn Rand ist die Moral des Händlers, des traders, die Metapher für die richtige Moral. Das ist für viele Situationen ein recht gutes Bild, doch wie sie selbst sagt, hat man Moral nicht zuerst für den Umgang mit anderen, sondern für den Umgang mit sich selbst: Aber mit sich selbst handelt man nicht. Hinzu kommt wiederum, dass gerade bei Geschäftsabschlüssen von Händlern jedes Mitgefühl und jede persönliche Wertschätzung mit Recht ausgeblendet wird. Damit reicht die Händlermetapher nicht hin, um alle Interaktionen von Menschen zu beschreiben, bzw. die Metapher ist zumindest schräg.

Kritik – Welcher Kapitalismus?

Das Ideal von Bei Ayn Rand sind inhabergeführte Personenunternehmen. Der Eigentümer ist zugleich Chef in seinem Unternehmen und ist verantwortlich für alles. Aktiengesellschaften, in denen es nur Manager gibt, die über große Bürokratien herrschen, und in deren Aufsichtsräten wiederum nur Manager von Banken sitzen, entsprechen nicht ihrem Ideal. Aktiengesellschaften, wo die Eigentümer zu weitgehend rechtlosen Aktionären degradiert sind, und echte Unternehmer nicht mehr vorkommen, sind aber im heutigen Kapitalismus der Normalfall. Insofern stellt sich die Frage, ob das, was Ayn Rand als Ideal vorschwebt, tatsächlich hinreichend mit dem Wort „Kapitalismus“ beschrieben ist.

Kritik – Naive Erkenntislehre

Ayn Rand ist misstrauisch gegen jede Form von Unklarheit, und sie meint, der Mensch hätte objektive Klarheit über die Objekte, die er erkennt. Daher auch der Name „Objektivismus“. Dass die menschlichen Sinne und die Verarbeitung der Sinneseindrücke bis zum Moment ihrer Bewusstwerdung und darüber hinaus bis zur Interpretation theoretisch beliebig von der Realität abweichen können, lässt sie unbeachtet. Kant wird verworfen. Auch der berühmte Satz des Sokrates: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ wird als Zeichen der Vernunftwidrigkeit und des Relativismus verworfen, was äußerst schmerzlich ist (S. 952). Für Ayn Rand gibt es nur Fakten oder keine Fakten. Dazwischen gibt es nichts. Die Natur gehorche Gesetzen, die sich nicht änderten. Dass dies nur eine Beobachtungserfahrung ist, von der keineswegs sicher ist, dass sie immer gilt, ist ihr ebenso wenig bekannt, wie die Änderung von Naturgesetzen im Zuge vertiefter Einsichten in der Wissenschaftsgeschichte. Man denke z.B. an das Aufgehen der Newtonschen Gesetze in den Gesetzen der relativistischen Physik.

Damit hat Ayn Rand ein zentrales Thema jeder Philosophie seit der Antike verfehlt: Dass der Mensch sehr viele Dinge nicht oder nur ungenau weiß, und dennoch dazu gezwungen ist, sich daraus mithilfe von Schätzungen, Annahmen, Postulaten, usw. ein Weltbild zu zimmern, das immer vorläufig ist und immer nachgebessert werden muss, und niemals letzte Gewissheit erlangt. Das Prinzip des ständigen Nachbesserns hat Ayn Rand zwar erkannt, aber die tieferen Gründe dafür leider nicht. Ayn Rand hat gewissermaßen nicht verstanden, was Platon mit seinem Konzept des „eikos mythos“, der „wahrscheinlichen Behauptung“, sagen wollte. Auch die fundamentale Großartigkeit des „Ich weiß, dass ich nichts weiss“ des Sokrates hat sich ihr bedauerlicherweise nicht erschlossen.

Fazit: Ein großartiges Buch mit Schwächen

Für sehr viele Menschen ist das Werk von Ayn Rand wie ein offener Türspalt, durch den sie einen Lichtstrahl aus jenem Reich erlangt haben, das die antike Philosophie eröffnet: Das Reich der Vernunft und der Aufklärung, das Reich der Freiheit und der Lebenslust! Auch wenn Ayn Rand die Tür dazu nicht völlig aufgestoßen hat, so hat sie doch viel erreicht.

Ihr Werk ist ein Klassiker der weltanschaulichen Literatur geworden, das jeder gelesen haben sollte: Einmal wegen seiner starken Bilder, die große Überzeugungskraft haben und Ikonen der Wahrheit bleiben werden, sei es Hank Rearden und Dagny Taggart und die Eisenbahn- und Stahlindustrie, seien es die sozialen Dummschwätzer wie James Taggart oder Hank Reardens Familie, seien es die Intellektuellen wie Balph Eubank oder Floyd Ferris, oder die Strippenzieher in Washington, oder natürlich John Galt, der von Ayn Rand für den Leser zu einer Figur aufgebaut wird, die über die Grenzen des Romans existiert, fast wie Jesus für Christen: John Galt ist überall und er begleitet uns, wo immer wir hingehen! (S. 745) Sein Körper wird mit einer griechischen Statue verglichen (S. 1045). – Ayn Rands Werk ist aber auch lesenswert, weil es für sehr viele Menschen zum Kristallisationspunkt eines vernunftorientierten Denkens geworden ist. Daran kann und muss man anknüpfen.

Ayn Rands „Atlas Shrugged“ ist eine heilsame Reaktion auf religiös-sozialistische Vernunftwidrigkeiten, wenn auch eine Überreaktion, die sich aus der Biographie von Ayn Rand erklären lässt.

Atlantis

In Ayn Rands „Atlas Shrugged“ wird Atlantis vor allem als eine Chiffre für das Paradies auf Erden verwendet, in dem die Menschen gemäß ihrer Vernunft in einem glücklichen Kapitalismus leben können (S. 147, 586, 643, 688, 735, 745, 843, 876, 1004). Dieses Atlantis realisiert sich im Roman in dem geheimen Tal, in das sich die produktiven Menschen zu ihrem Streik zurückziehen.

Die Grundvorstellung von Ayn Rand über das originale Atlantis ist falsch, sie verwechselt es praktisch mit der Insel der Seligen. Zudem hat Ayn Rand die Geschichte von Atlantis ihrer Vorstellung vom versteckten Tal als Paradies auf Erden angepasst, was der Leser übrigens erst viele hundert Seiten später erkennen kann. Das Atlantis bei Ayn Rand hat also nichts mehr mit dem Atlantis des Platon zu tun. Das Kraftwerk im Tal von Atlantis mit dem Motor von John Galt und dem eingeschriebenen Eid wird auch als „Tempel von Atlantis“ angesprochen (S. 843).

Der Chiffre-Charakter kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass neben der Atlantis-Chiffre auch noch weitere Elemente der antiken und anderweitigen Literatur als Chiffren für dieselbe Sache verwendet werden, so z.B. Prometheus oder die Quelle der Jugend (S. 478, 664 f.).

Der Untergang von Atlantis wird übrigens auch als Chiffre für das wegen sozialen Dummschwätzertums ökonomisch niedergehende New York verwendet (S. 583). Zuletzt ist Atlantis neben dem Garten Eden eine Chiffre für den Unschuldsstatus in der Kindheit, in der die wahren Werte des Menschseins noch nicht verbogen seien (S. 968).

Bewertung: 4 von 5 Sternen.

(Erstveröffentlichung auf Amazon am 14. Januar 2015)

Markus Krall: Die Bürgerliche Revolution – Wie wir unsere Freiheit und unsere Werte erhalten (2020)

Obwohl so vieles richtig ist – dennoch totales Versagen

Natürlich hat Markus Krall mit vielem einfach nur Recht. Dennoch scheitert er völlig. Wie das?

Wie es nicht geht, das hat bereits die Entwicklung der AfD gezeigt: Die Verschmutzung berechtigter Kritik mit Rechtsradikalismus schadet massiv. Denn wenn es den etablierten Kräften gelingt, berechtigte Kritik als rechtsradikal hinzustellen, dann haben sie gewonnen. Und wenn da wirklich Rechtsradikalismus ist wie in der AfD, dann haben die etablierten Kräfte ganz leichtes Spiel. Höcke ist kein Randphänomen in der AfD, und Bernd Lucke und Frauke Petry sind schon lange aus der AfD ausgetreten. Die Gauland-AfD könnte glatt eine Erfindung der etablierten Kräfte sein, denn solange sich der Widerstand in einem Boot mit Rechtsradikalen befindet, ist er wunderbar neutralisiert.

Leider macht es Markus Krall nicht wirklich besser, und das zeigen wir jetzt Punkt für Punkt:

  • Markus Krall hat eine falsche Analyse zur AfD (S. 175 f.). Er glaubt immer noch daran, dass man die Rechtsradikalen abspalten könne. Das ist leider nicht der Fall. Dieser Zug ist lange abgefahren. Die Rechtsradikalen dominieren jetzt diese Partei. Wer jetzt noch in der AfD ist, kann auch nicht mehr ernsthaft als Liberaler bezeichnet werden, sondern nur noch als nützlicher Idiot oder Pseudoliberaler. Krall glaubt, dass die AfD zu einer rechtspopulistischen Partei werden könnte, die dabei helfen könnte, die anderen Parteien auf einen rechteren Kurs zu zwingen. Das wird mit dieser AfD nicht gehen.
  • Berücksichtigung Andersdenkender: Wer die demokratische Gesellschaft reformieren möchte, muss auch berücksichtigen, dass es eine große Zahl von Andersdenkenden gibt. Die darf man ruhig argumentativ und scharf kritisieren. Aber sie sind eben doch da. Man muss mit ihnen leben. Man muss sich mit ihnen in einem gemeinsamen Staat arrangieren! Sprich: Man muss Bedingungen formulieren, ab welchen Graden man bereit ist, ihnen dies oder jenes zuzugestehen. Oder sogar mit ihnen begrenzt zusammen zu arbeiten. Und es müssen erfüllbare, faire Bedingungen sein. Markus Krall schreibt aber, wie wenn er eine 2/3-Mehrheit im Bundestag hätte. Die hat er aber nicht. Er muss froh sein, wenn seine Meinungen mit Müh und Not und mit teils ungeliebten Koalitionspartnern auf 51% kommen. Und zwar ohne die rechtsradikale AfD, denn die rechtsradikal gewordene AfD will vieles von dem, was Krall an wirtschaftsliberalen Themen durchsetzen will, nicht. Leidet Markus Krall an illusionärem Wunschdenken?
  • Markus Krall plädiert für ein Wahlrecht, demzufolge Bezieher von Sozialleistungen nicht mehr wählen dürfen (S. 233). Die Idee dahinter ist zwar sehr verständlich, dennoch wäre es dann keine Demokratie mehr. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Und damit ist der Vorwurf von antidemokratischem Denken nicht mehr von der Hand zu weisen. Und schon hat man verloren. Unrettbar verloren.
  • Thema Goldstandard und reine liberale Lehre: Kralls Überlegungen zu einem Goldstandard in der Währung und zur reinen Lehre des Liberalismus im Wirtschaftssystem mögen ihm unbenommen bleiben. Aber in den Augen der meisten Menschen ist das radikal. Es schreckt ab. Viel sinnvoller wäre es, ganz einfach eine Rückkehr zu den guten alten Prinzipien der BRD zu fordern: Ein Bundesbanksystem für eine vernünftig gemanagte Papiergeldwährung, und eine soziale Marktwirtschaft im altbekannten Stil. Das ist nicht die reine Lehre, aber es würde gut genug funktionieren, und es wäre mehrheitsfähig. Aber Krall träumt von Idealen, mit denen er nur verlieren wird.
  • Thema Abtreibung: Es ist sicher richtig, dass Abtreibung bis kurz vor der Geburt ein Problem ist, und es sei Markus Krall unbenommen, Abtreibung auch sonst für falsch zu halten. Der Punkt ist aber: Jede Aussicht auf eine Verschärfung des Abtreibungsrechtes verschlechtert die Findung von Mehrheiten massiv. Das ist einfach so. Schon wieder eine Steilvorlage für den politischen Gegner.
  • Thema Monarchie: Kralls Überlegungen zu einer demokratischen Monarchie mögen ihm unbenommen bleiben (S. 239 ff.), aber auch damit liefert er eigentlich nur eine unnötige Steilvorlage für politische Gegner. Markus Krall will offenbar nicht gewinnen?
  • Thema USA: Krall schweigt zur Westbindung und zur NATO. Schmallippig redet er von Bündnisverpflichtungen im Rahmen der UNO (S. 199). So redet auch Gregor Gysi von Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Das ist unakzeptabel. Die Westbindung ist viel zu wichtig, um sie zu übergehen. Man darf schließen, dass Krall kein Interesse an ihr hat, ganz wie die Gauland-Höcke-Kalbitz-AfD. Und schon wieder eine Position, die völlig unakzeptabel ist. Deutschland benötigt den Anschluss an eine Weltmacht, um Freiheit und Wohlstand zu sichern, und es gibt nur eine einzige Weltmacht, die das garantiert. Das hätte Krall ganz klar in seinem Buch schreiben müssen!
  • Thema Christentum und Aufklärung: Das Verhältnis zwischen Christentum und Aufklärung wird von Markus Krall völlig falsch gefasst. Er meint, dass die Aufklärung im Christentum wurzele. Das ist aber falsch. Die Aufklärung wurzelt in der antiken Philosophie, die in der Renaissance (=Wiedergeburt) wieder auf die Tagesordnung kam, und sich erst mühsam einen Platz neben und gegen das Christentum erobern musste, bis auch das Christentum sich damit (vorübergehend?) angefreundet hatte. Stichwort „Humanismus“. Aber das Wort „Humanismus“ kommt bei Krall nicht vor. Natürlich ist unser Land auch christlich geprägt, aber das ist nur ein Punkt von mehreren, und nicht der entscheidende Punkt. Im übrigen bleibt völlig unverständlich, warum Markus Krall nicht auf jene Stellen im Neuen Testament eingeht, die dem Sozialismus Vorschub leisten, oder denen zufolge Frauen schweigen und ihr Haupt bedecken sollen. Dazu könnte er durchaus was Kluges sagen, ohne sich verstecken zu müssen. Doch er tut es nicht. Jedenfalls wird deutlich, dass alles nicht so einfach ist, wie Krall meint. Wenn das Christentum das Nonplusultra war, warum war dann das zweifelsohne christliche Mittelalter keine Demokratie und keine Marktwirtschaft? Bildung für alle und Gleichberechtigung von Mann und Frau gab es im Mittelalter auch nicht. Die traditionalistische Auslegung des Christentums im christlichen Mittelalter war ganz genauso problematisch wie die traditionalistische Auslegung des Islams heute. Im Mittelalter war die islamische Welt sogar vorübergehend viel moderner als das christliche Europa. Weil man dort in dieser Zeit antike Philosophen las. Krall schweigt dazu. Seine Analysen stimmen einfach nicht. Und wenn die Diagnose nicht stimmt, kann die Therapie auch nicht stimmen.
  • Kralls Analyse von „Frankfurter Schule“ und „Kulturmarxismus“ ist etwas seltsam (S. 106). Es stimmt zwar vieles von dem, was Markus Krall schreibt, aber er bringt gar keine Belege. Man hätte ein Zitat erwartet, eine „smoking gun“. Aber so ist es nur eine Ansammlung von Behauptungen. Und tatsächlich ist die Analyse der „Frankfurter Schule“ teilweise falsch. Erstens ging es diesen Linken teilweise durchaus um Aufklärung. Nicht alles daran war falsch. Und zweitens muss man auch die historischen Bedingungen begreifen, die damals herrschten. Man kann die „Frankfurter Schule“ nicht einfach aus dem Geschichtsbuch streichen. Man kann nur korrigieren und darüber hinaus wachsen. Von einer solchen „kritischen Anschlussfähigkeit“ ist bei Markus Krall aber nichts zu sehen.
  • Thema Islam und Integration: Auch diese Themen kommen bei Krall nicht vor bzw. der Islam kommt eigentlich nur als Islamismus vor (S. 216). Diese Themen sind aber für die Zukunft der deutschen Gesellschaft von zentraler Bedeutung. Doch Krall schweigt, und macht damit deutlich, dass er „Lösungen“ für dieses Problem anstrebt, die eine Integration gar nicht erfordern! Nämlich die simple Total-Assimilation bzw. die Ausweisung jener, die sich nicht assimilieren wollen. Das ist aber an Plumpheit kaum zu überbieten, und weder Muslime noch andere Zuwanderer werden das mitmachen, und zwar – und das ist entscheidend – auch die Gutwilligen nicht. Krall hat also keine Lösung. Er ist noch nicht einmal in der Lage, die Existenz des Problems zu akzeptieren. Das ist dann einfach nur das andere Extrem zum plumpen, dummen Vielfalt-Multikulti. Auch Vielfalt-Schwärmer verstehen nicht, warum Parallelgesellschaften ein Problem sein sollen, und sie fangen deshalb gar nicht erst an, nach Wegen zwischen den beiden Extremen Parallelgesellschaft und Total-Assimilation zu suchen. Markus Krall ist keinen Deut besser.
  • Deutsche Kultur: Markus Krall spricht viel von Christentum (er selbst ist übrigens als katholischer Laie aktiv), und vom Leistungsprinzip in der Bildung, und beim Thema Monarchie spricht er vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Aber von Deutschland und der deutschen Kultur spricht er eigentlich gar nicht. Man könnte z.B. vorschlagen, den konfessionellen Religionsunterricht abzuschaffen, und statt dessen ein Schulfach „Humanismus“ für alle Kinder einzureichten, wo man neben Religion auch über Philosophie und Geistesgeschichte unterrichtet wird und das Handwerk der historischen Kritik erlernt? Das wäre ein starkes Stück deutscher Kultur (und nebenbei auch ein Stück Integration). Oder man könnte Preußen als Bundesland wieder einrichten, um auf diese Weise eine Befreundung mit der eigenen Geschichte herzustellen. Bayern und Sachsen gibt es schließlich auch noch. Aber nichts davon. Krall mag Preußen und die preußisch-humanistische Kultur Deutschlands offenbar nicht. Vermutlich ist ihm das alles zu modern und zu aufgeklärt? Krall scheint eher kuk-österreichisch orientiert zu sein, Stichworte: Christentum, Katholizismus und „Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation“. Kein gutes Zeichen. Die Verfallsprodukte des rückwärtsgewandten katholischen kuk-Gebildes waren schon immer schädlich. Deutsch geht anders.
  • Markus Krall kann sehr gesittet und vernünftig sprechen, z.B. in der Sendung „mission money“. Aber auf Twitter und in diesem Buch und bei bestimmten anderen Veranstaltungen schlägt er einen Ton an, der leider unter Niveau ist: Fies. Hämisch. Sarkastisch. Zynisch. Es tut mir sehr leid, aber auch damit kommt er nicht durch. Die politische Korrektheit muss zwar durchbrochen werden. Aber eine „menschliche Korrektheit“ muss man sich bewahren. Nicht nur „für die anderen“, nicht nur „aus Rücksicht“, sondern natürlich zuerst einmal für sich selbst. Welche Ästhetik und Moral hat jemand, der sich in gedruckter Form auf dieses Niveau begibt? Und welches Publikum will er ansprechen?
  • Sachliche Unrichtigkeiten: Gerade der fiese, sarkastische Ton bringt leider auch viele unrichtige Feststellungen mit sich. Meistens sind es Halbwahrheiten oder eine schiefe, unfaire Perspektive. Es ist also nicht nur der Ton sondern dann auch die Sache, die nicht mehr akzeptabel ist. Mit der falschen Sprache verfälscht man auch sein eigenes Denken. Man muss sich die Fähigkeit unbedingt bewahren, differenziert zu denken. Differenziertes Denken ist kein Zeichen von Schwäche und auch nicht „links“. Linke behaupten zwar ständig, dass sie differenziert denken würden, aber in Wahrheit tun sie es natürlich nicht. Markus Krall leider zu oft auch nicht.
  • Wenig glücklich ist, dass Markus Krall bei Degussa Goldhandel angestellt ist. Dahinter steht die Familie Finck, die wiederum die AfD finanziert haben soll. Das kratzt schon ein wenig an der Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit von Markus Krall. Und dann ist Krall auch Mitglied in dem elitären päpstlichen Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem. Solche undurchsichtigen Zirkel der Mächtigen schaffen einfach kein Vertrauen, zumindest das kann man dazu sagen.

Schlusswort

Warum versagen die deutschen Liberalkonservativen darin, die vielen richtigen Gedanken, die sie haben, richtig umzusetzen? Warum entstehen statt dessen solche pseudo-liberalkonservativen Dinge wie die Gauland-AfD oder dieses Buch von Markus Krall? Vermutlich liegt es an mangelnder Bildung. Wer glaubt, dass die westliche Welt sich im wesentlichen auf das Christentum reduzieren lasse, ist einfach nur unterbelichtet und niemals liberalkonservativ. Da war Franz-Joseph Strauß ein ganz anderes Kaliber. Für Franz-Joseph Strauß spielte seine klassisch-humanistische Bildung eine wichtige Rolle. Und genau das fehlt heute offenbar. Links wie Rechts. Statt Markus Krall sollte man z.B. besser die ersten vier Bücher des Sozialdemokraten Thilo Sarrazin lesen. Sarrazin ist wesentlich umsichtiger und realistischer als Markus Krall. Sarrazin scheitert mit seiner Bildung erst in seinem fünften Buch an der Analyse des Islam. Im Übrigen empfehle ich die Lektüre antiker Philosophen: Platon, Aristoteles, Cicero.

Bewertung: 2 von 5 Sternen.

(Erstveröffentlichung auf Amazon am 01. Mai 2020)