Schlagwort: Reformation

Philipp Melanchthon: Glaube und Bildung – Texte zum christlichen Humanismus (16. Jhdt.)

Absolut lesenswertes Zeugnis eines wahren Humanismus

Philipp Melanchthon war ein in der Wolle gefärbter Humanist, der von Martin Luther sofort als Denker entdeckt wurde. Während Luthers Reformation, die von dem führenden Humanisten Erasmus von Rotterdam mit Recht als zu radikal abgelehnt wurde, stand Melanchthon unter dem teils ungünstigen Einfluss von Martin Luther und lehnte z.B. die Philosophie als schädlich ab. Melanchthon war unbestritten der eigentliche Denker der Reformation, während Luther eher der Macher war. Nach Luthers Tod befreite sich Melanchthon innerlich von Luthers Radikalität und gelangte wieder zu moderateren Auffassungen in bezug auf Philosophie und Religion.

Melanchthon hat zweifelsohne viel für die Verbreitung der humanistischen Bildung getan, und seine Schriften über Bildung sind eine wahre Wohltat in unserer heutigen Zeit. Dort liest man noch, wie die Sprache den Geist bestimmt, wie Sprache gebildet werden muss, um den Menschen zu bilden, dass die Bildung „aus der Hand kommt“, dass der Mensch erst durch eigenes Schreiben so richtig gebildet wird.

Das Verhältnis von Philosophie und Religion bestimmt Melanchthon – anders als zur Zeit Luthers – positiv: Philosophie und Glaube betreffen verschiedene Erkenntniswege, die sich nicht gegenseitig behindern, sondern ergänzen. Es gibt nichts, wovor die Philosophie Halt machen sollte. Nur wo die Philosophie glaubt, ohne die Religion auskommen zu können, setzt Melanchthon der Philosophie eine Grenze. Mehr kann man von einem religiösen Menschen eigentlich nicht verlangen.

Die Schule ist für Melanchthon das Abbild des Goldenen Zeitalters, der Ort des Lehrens und Lernens als heilige Tätigkeit unter philosophischen Geistern. Die griechische Sprache wird über alles gelobt. Alles in allem hat sich Philipp Melanchthon seinen Ehrentitel „Praeceptor Germaniae“, d.h. Lehrer Deutschlands, redlich verdient.

Bewertung: 5 von 5 Sternen.

(Erstveröffentlichung auf Amazon am 31. Januar 2014)

Stefan Zweig: Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam (1934)

Äußerst erhellender Blickwinkel auf die Reformation

Wie immer schafft es Stefan Zweig, die von ihm skizzierte Person nicht nur in literarisch schöner und emphatischer Sprache zu zeichnen, sondern auch den moralischen Kern und ihr Dilemma mit ihrer Zeit aufzuzeigen. Wer sich mit der Reformation beschäftigt, lässt Erasmus gerne links liegen und steuert direkt auf Luther zu – ein großer Fehler. Fast möchte man meinen, dass man das Reformationsgeschehen erst durch die Person des Erasmus von Rotterdam richtig zu verstehen lernt.

Erasmus war der wichtigste Repräsentant einer geistigen Bewegung, der Humanisten, die neues Denken in die Zeit brachten, und die auch die Notwendigkeit einer Reform der Kirche klar erkannten und ansprachen. Doch die Reform blieb aus. Erasmus von Rotterdam hatte es zwar geschafft, mit seinem „Lob der Torheit“ die politischen Tabus seiner Zeit auf die Schippe zu nehmen und hatte damit einen vielbeachteten Erfolg, aber eine Reform wurde nicht bewirkt. Deshalb kam die Reform durch einen gröberen Keil zustande: Durch Luther. Der war nun leider kein guter Humanist. Das Versagen der Zeit, sich aus den Fängen ihrer politischen Tabus zu lösen einerseits, und das schlussendliche Aufbrechen der Probleme durch eine grobe Kraft andererseits, das ist die Tragik dieser Zeit, die sich in der Person des Erasmus am besten darstellen lässt.

Dieses Büchlein von Stefan Zweig fängt etwas langweilig an, entwickelt sich aber durch die Dramatik des Geschehens zu einem einzigartigen literarischen und intellektuellen Genuss.

Bewertung: 5 von 5 Sternen.

(Erstveröffentlichung auf Amazon am 20. Januar 2014)