
Prag, Hirnforschung und Deep State: Ein gelungener Dan Brown
Die Romane von Dan Brown sind immer wieder nach demselben Schema gestrickt, und mal geht das Konzept wunderbar auf, mal gerät es langweilig und langatmig. Dieses Mal ist das Konzept wieder voll aufgegangen. Der Roman ist rasant, wendungsreich, bildungsschwanger und thematisch interessant: So muss ein Dan Brown sein.
Der Leser bekommt eine herrlich rasante Jagd durch die Handlung des Romans präsentiert. Es gibt zwei große Themen: Einerseits Hirnforschung, Nahtoderfahrung, nicht-lokales Bewusstsein, Noetik und Chip-Implantate im Gehirn, und was man damit machen kann. Der Roman beginnt fast esoterisch, doch es klärt sich alles realistisch auf: Dan Brown übertreibt das Thema nicht ins Phantastische, sondern bleibt im Rahmen des zumindest Möglichen und Denkbaren und Diskutierbaren.
Andererseits geht es um den Deep State der USA, hier speziell um die CIA und ihre Firma In-Q-Tel. In-Q-Tel investiert in alle möglichen Technologien, damit die CIA immer einen Fuß in der Tür hat. Außerdem erwirtschaftet die CIA auf diese Weise Erträge, mit der sie Operationen finanzieren kann, von der die politische Führung nichts weiß: Der klassische Fall des Deep State. Dabei geht es auch um das Dilemma, wie weit ein Geheimdienst sich „schmutzige“ Hände machen darf, um das Gute in der Welt zu fördern und das Böse abzuwehren.
Dabei findet alles in Prag statt, der goldenen Stadt, deren Sehenswürdigkeiten konsequent abgeklappert werden. Interessant zu wissen, dass das Wort „Prag“ eine „Schwelle“ bezeichnet, auf Englisch: „Threshold“. Das Buch enthält einen gut gemachten Stadtplan, der dem Leser hilft, den Überblick zu behalten. Ja, der Leser weiß am Ende, was er in Prag sehen will, definitiv! Und trinken: Tschechischen Absinth.
Ein Nebenthema ist der Umgang der USA mit den Staaten, die sich unter ihre Hegemonie begeben haben: Werden sie wie Vasallenstaaten und Kolonien behandelt, in denen sich die USA alles herausnehmen können, oder zeigen die USA Respekt vor der Souveränität des jeweiligen Landes?
Dabei ist Dan Brown ein großes Lob auszusprechen: Andere Autoren hätten die obigen Ingredienzien dazu genutzt, ein antiamerikanisches Pamphlet zu schreiben. Nicht so hier! Es wird deutlich, dass der Deep State eben nicht identisch mit einem „bösen Amerika“ ist, sondern etwas, was auch aus Sicht der USA aus dem Ruder gelaufen ist. Wir sehen mehrere Beamte der USA auf verschiedenen Ebenen, wie sie glaubwürdig mit ihrem Gewissen ringen und die Dilemmata aufzulösen versuchen, in die sie durch den Deep State gebracht wurden. Am Ende gelingt es ihnen, die Verhältnisse zu einem guten Ende zu wenden, ohne dass es naiv pseudomoralisch oder antiamerikanisch wurde, sondern im Gegenteil: Es kommt das beste von Amerika zum Vorschein, mit viel pragmatischer Moral und Realismus.
Anders als in den vorigen Romanen ist Robert Langdon in diesem Roman zusammen mit einer Partnerin unterwegs. Das Techtelmechtel zwischen den beiden wird nicht übertrieben, und so ist auch dieser Aspekt des Romans gelungen.
Kritik
Es geht in diesem Roman um Prag, die Stadt des Golem und der großen astronomischen Uhr, die auch das Cover ziert. Man hätte erwartet, dass Dan Brown einige historische Rätsel mit diesen Dingen verbindet, die Robert Langdon im Laufe des Romans lösen muss. Doch das ist nicht der Fall. Die astronomische Uhr wird nur im Vorübergehen erwähnt und der Golem wird nur als Anspielung und Chiffre verwendet. Über die historischen Hintergründe der Uhr und des Golem erfährt man praktisch nichts.
Dass sich eine der Romanfiguren als Golem verkleidet und mit diesem eine Seelenverwandtschaft sieht, ist übrigens eine Übertreibung. Die Scharade will nicht so recht einleuchten, erst recht nicht mehr, wenn man gegen Ende des Romans das Geheimnis dieser Figur erfährt.
Nicht gelungen ist die Idee von Dan Brown, dass die Menschheit durch die Noetik an der Schwelle zu einem neuen Verständnis des Todes stünde, der uns allen die Angst vor dem Tod nehmen und damit zu einer friedlicheren Gesellschaft führen würde. Das ist für Dan Brown „the secret of secrets“, daher der Buchtitel. Zum Glück kommt diese misslungene Idee – obwohl der Titel des Buches auf sie hinweist – nur am Ende und am Rande des Romans vor. Hier ist philosophisch zu wenig investiert worden. Der Tod wird immer eine Schwelle bleiben, und alles jenseits davon ist uns unbekannt. Wissenschaft allein wird die Angst vor dem Tod niemals mindern können. Eine solche Besserung ist – in Maßen – höchstens von Religion und Philosophie zu erwarten. Dan Brown verweist mit Recht auf die Religiosität der Menschen des Mittelalters.
Der deutsche Verlag Lübbe blamiert sich übrigens, wo er kann: Das Buch ist zwar mit Karte, Lesebändchen und rot gefärbtem Buchschnitt gut ausgestattet, aber ein Preis von 32,- Euro ist dennoch unzweifelhaft ein monetäres Abgreifen der interessierten Leserschaft. Ein Preis von 25,- Euro wäre angemessen gewesen. Die Übersetzung ist weitgehend gelungen, dennoch fallen wieder einige Stellen auf, die man noch hätte glattbügeln können. An ganz wenigen Stellen zu Anfang fiel eine Beidnennung („Teilnehmerinnen und Teilnehmer“) als penetrant auf. Offenbar wollte da jemand mit penetranten Beidnennungen gendern, hat dann aber bald aufgegeben. Der Titel des Buches ist ebenfalls misslungen, er hätte analog zu den bisherigen Titeln aus einem Wort bestehen müssen, und das wäre in diesem Fall „Threshold“ gewesen.
Noch immer surft Lübbe auf der woken Welle: Auf der Internetseite des Verlages ist alles gegendert und in unerträglichem Regenbogen-Pastell gehalten. Doch in seinen Romanen gendert der Verlag nicht. Wenn diese Leute wirklich an die Genderei glauben würden, müssten sie dann nicht konsequent auch ihre Romane gendern? Und wenn sie ihre Romane nicht gendern, aus Rücksicht auf die Leser, heißt das dann, dass die Genderei auf der Internetseite eine einzige Rücksichtslosigkeit gegenüber den Lesern ist?
Bewertung: 5 von 5 Sternen.
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