Schlagwort: Deutsche Geschichte

Heinrich Heine: Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland (1834)

Anregende und wirkmächtige Geistesgeschichte Deutschlands

Heinrich Heines „Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland“ von 1834/5 ist aus mehreren Gründen absolut lesenswert: Zum einen, weil es eine sehr persönliche Sicht auf den Verlauf der Geistesgeschichte in Deutschland bietet, die durch Ehrlichkeit, Individualität und Offenheit überzeugt. Hier geht es nicht darum, Objektivität vorzutäuschen, sondern hier sagt jemand seine Meinung, und der Leser ist zum Selberdenken aufgefordert. Auch dort, wo man die Darstellung für zu oberflächlich und einseitig hält, hat Heine doch immer einen guten Punkt getroffen. Heine hat hier einige Einsichten mit Worten geprägt, die fast zu Sprichworten geworden sind.

Zum anderen sollte man dieses Buch deshalb lesen, weil es von vielen gelesen wurde, und ein Bild der deutschen Geistesgeschichte erzeugt hat, das von vielen geteilt wird. Auch und gerade, weil es auch Fehler hat, sollte man um die Wirkmächtigkeit dieser Irrtümer wissen. Schließlich ist Heines Werk aber auch ein Zeitdokument, das einem die Augen öffnet, wie die Dinge in den damaligen Zeiten gelaufen sind – und wie sie wohl zu allen Zeiten laufen bzw. laufen könnten.

Für Heinrich Heine mündet die Reihe Kant, Fichte, Schelling, Hegel in Pantheismus, in „Naturphilosophie“. Im Pantheismus, in der Romantik, lebt auch das alte Germanentum wieder auf, während die Juden als „Schweizergarde des Deismus“ nicht in das pantheistische Bild passen. Heine weiß, dass in der Naturphilosophie auch Gefahren liegen: Das Wiederaufleben der „Berserkerwut“ des Germanentums aus „tausendjährigem Schlummer“. Man meint, eine Prophezeiung auf Marx und Hitler zu lesen.

Hier gibt es eigentlich keinen Grund für Optimismus und Fortschrittsglaube. Es ist unverständlich, wie Heine den Gang der Geistesgeschichte einschließlich ihrer Gefahren so beschreiben kann, aber dann relativ optimistisch dabei ist. Heine hätte hier die Frage nach einer besseren Alternative stellen müssen. Aber das tut er nicht. Heine scheint vielmehr im Ganzen recht einverstanden zu sein mit der „Naturphilosophie“. Die Gefahren scheint er nicht ernst zu nehmen.

In diesen Zusammenhang muss wohl auch die Aussage Heines eingeordnet werden, dass er das Christentum selbst dann noch erhalten wollte, wenn der Glaube geschwunden ist. Das ist eine sehr unphilosophische Aussage. Hier wird deutlich, dass Heine selbst kein ganz klarer Kopf ist. An anderer Stelle äußert er, wie ihm unwohl ist, wenn Kant Gott seziert; damit zeigt er eine unphilosophische Religiosität. Von diesem Punkt aus lassen sich Heines Irrtümer und Fehlurteile verstehen.

Hierher gehört wohl auch, dass Heine seinen eigenen Fortschrittsoptimismus ein wenig relativiert, ohne ihn im Kern zu hinterfragen. Man kann sicher sein, dass Heine vor ideologischem Handeln und Fanatismus zurückgeschreckt wäre. Aber Heine mäßigt seinen Optimismus nur, statt dass er ihn grundsätzlich hinterfragt. Auch hier wird die Gefahr von Heine gesehen, aber kleingeredet. Eine bessere Alternative zum naiven Fortschrittsoptimismus wird nicht gegeben. Heine ist ganz offenkundig fasziniert von dem Neuen und will daran nur das vermeintlich Gute sehen. Heinrich Heine ist einer der ersten, die die Greuel von Kommunismus und Nationalsozialismus vor lauter Faszination nicht sehen wollten – wenn auch nur auf einer theoretischen Ebene.

Die Aufgabe des modernen Lesers ist es, sich dieser Faszination Heinrich Heines zu entziehen, und bessere Alternativen zu suchen.

Interessant die Aussagen über das deutsche Wesen: Methodisch, gründlich, langsam, auch im Hass, und mit einer Wirkung aufgrund der Gedankentiefe, die die Welt erschüttern wird. Die Deutschen sind generell langsam, wenn sie aber einmal eine Bahn eingeschlagen haben, verfolgen sie diese bis zum Ende.

Ein Irrtum ist u.a. die Auffassung, dass es eines Luthers bedarf, um etwas zu bewegen, und dass ein Erasmus und Melanchthon es allein nicht geschafft hätten. Denn Heine selbst spricht später davon, dass Kant und seine Nachfolger eine Wirkung entfalten würden, gegen die die französische Revolution nichts sei.

Bewertung: 3 von 5 Sternen.

(Erstveröffentlichung auf Amazon am 29. August 2014)

Necla Kelek: Himmelsreise – Mein Streit mit den Wächtern des Islam (2010)

Eine gute Einführung, die gegen Naivität immunisiert

Keleks Himmelsreise ist anders als das Cover vermuten lässt keine autobiographische Darstellung, sondern eine gute Einführung in das Thema Islam in Deutschland. Der Leser bekommt alles geboten:

  • „Den Islam“ gibt es nicht – und es gibt „ihn“ doch.
  • Was macht das „System Islam“ aus? Eine geschlossen hierarchische Gesellschaftsstruktur.
  • Warum auch die Männer darin unfrei sind.
  • Das Scheitern der Aufklärung im Islam.
  • Deutsche Islamverbände heute.
  • Deutsche Geschichte und Islam: Karl der Große, Preußen, Lessing, Goethe, Hitler, BRD.
  • Sind die „Reformer“ wirklich Reformer?
  • Realistische Wege zur Islamreform.

Keleks Buch ist kein Buch für Träumer, aber auch nicht für Islamhasser, sondern für Leute, die es wirklich wissen wollen. Nicht umsonst war es Kelek, die Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ der Öffentlichkeit vorstellte. Gefallen hat u.a. der Abschnitt, in dem Kelek aufzeigt, dass man Lessing und Goethe nicht einfach als Islamfreunde vereinnahmen kann.

Sehr gut gelungen ist der Abschnitt, in dem Kelek den meisten „Reformern“ die Maske vom Gesicht reißt. Es gibt sicher glaubwürdige Reformer, aber die prominenten Vorzeigereformer gehören oft leider nicht dazu.

Interessant war auch die Erkenntnis, dass z.B. die Politik Karls des Großen, die bis heute wirksame Weichenstellungen getroffen hat, in Wechselwirkung zur Politik seines Verbündeten, des Kalifen von Baghdad, gesehen werden kann.

Kelek hinterfragt auch mit großem Erfolg die Legitimation der deutschen Islamverbände.

Bewertung: 5 von 5 Sternen.

(Erstveröffentlichung auf Amazon am 24. August 2012)