Schlagwort: Überraschung

Marc-Antoine Mathieu: Gott höchstselbst (2009)

Gelungene Groteske über Gottes Besuch auf Erden

In „Gott höchstselbst“ spielt Marc-Antoine Mathieu den Gedanken durch, was wohl wäre, wenn Gott sich (nach höchst traditioneller Vorstellung) als alter Mann mit langem Bart auf Erden blicken lassen würde. Der Cartoon spießt nicht nur die theologischen bzw. philosophischen Probleme dieser Absurdität gekonnt auf, sondern entlarvt anhand der Reaktionen der Menschen auf das Ereignis deren allzu menschliche Menschlichkeit. Eingebaut ist auch eine subtile Reminiszenz an die Episode mit dem Computer Deep Thought und der Antwort „42“ auf die Frage nach dem Universum, dem Leben und überhaupt allem in „The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy“ von Douglas Adams.

Die Zeichnungen sind ästhetisch ansprechend und nicht überladen, wechseln häufig in origineller Weise die Perspektive des Betrachters, und beleben die Story durch überraschende Übergänge.

Leider kann dieser Cartoon keine Lösung für die aufgeworfenen Fragen anbieten. Die großen (bekannten) Fragen werden zwar alle angerissen, aber nirgendwo wirklich weitergeführt. Damit bleibt am Ende nur die Groteske in der Erinnerung des Lesers zurück. Das ist ein wenig schade. Die Groteske ist aber gelungen. Wer sich noch nicht allzu sehr mit den Fragen rund um Gott befasst hat, könnte es auch als Anregung und Einstieg in weiteres Nachdenken begreifen.

Bewertung: 4 von 5 Sternen.

(Erstveröffentlichung auf Amazon am 15. April 2019)

Jostein Gaarder: Genau richtig – Die kurze Geschichte einer langen Nacht (2018)

Genau richtige Gedanken zu Sterben und Abschiednehmen

Englischlehrer Albert hat eine tödliche Diagnose bekommen, und da Frau und Kinder weggefahren und außer Haus sind, hat er sich in die typisch norwegische Einsamkeit der Familienhütte an einem kleinen, abgelegenen See zurückgezogen. Dort beginnt er seine Gedanken zu ordnen, und vielleicht wird er gleich noch in derselben Nacht seinem Leiden ein Ende setzen, noch ehe er Frau und Kinder damit belasten muss. Das Buch stellt die Wiedergabe der Gedanken Alberts dar, wie er sie in das Hüttenbuch schreibt. Ein Hüttenbuch ist eine weitere typisch norwegische Eigenheit, es handelt sich um eine Art Logbuch für alle Geschehnisse während des Hüttenaufenthaltes.

Drei Themen werden bearbeitet: Im Rückblick auf sein Leben erkennt Albert, wie so vieles in seinem Leben „genau richtig“ war. – Auch im Universum ist vieles „genau richtig“ eingerichtet, und vielleicht verbindet sich ja damit auch eine Hoffnung auf einen Sinn des Lebens.

Das dritte „genau richtige“ Thema hat Albert aber ganz vergessen, und wie Jostein Gaarder es zur Überraschung von Albert und zur Überraschung des Lesers in die Geschichte einführt, ist genial (und wird hier nicht verraten): Es geht um die Einbindung des Menschen in das Gefüge von Familie, Gesellschaft und Menschheit. Man kann sich eben nicht einfach in eine Hütte zurückziehen und alle Verbindungen zu den Mitmenschen ignorieren und die Sache ausschließlich mit sich allein abmachen. Der Mensch hat eine Rolle zu spielen, auch im Sterben und gewissermaßen auch über den Tod hinaus, und diese Rolle ist sinnvoll und verpflichtend.

Ein sehr schönes, geistreiches, kleines, wertvolles Büchlein. Eben genau richtig.

Bewertung: 5 von 5 Sternen.

(Erstveröffentlichung auf Amazon am 20. September 2020)