Oberflächlicher Kurzkatechismus, aber gute Zusammenfassung und zeitkritisch
Das konservative Manifest von Wolfram Weimer ist keine tiefgründige Überlegung zur problematischen Lage und Zukunft des konservativen Denkens. Das Büchlein hält sich nicht einmal mit einer Definition von „konservativ“ auf, sondern geht gleich in medias res und entfaltet konservatives Denken zu den Themen: Würde, Familie, Heimat, Nation, Kulturkreis, Tradition, Recht, Eigentum, Tugend, Gott.
Dabei werden sämtliche Gemeinplätze des Konservativen heruntergerattert, oft in zu Sprachspielen verdichteten Sentenzen à la „Keine Zukunft ohne Herkunft“. Teilweise kippt der Text ins phrasenhafte ab. Für eine Wahlkampfrede nach Art von Franz-Josef Strauß findet man hier alles nur erdenkliche Material.
Doch diese Darstellung ist zu einfach und zu glatt, obwohl nicht wirklich falsch. So konnte man über Konservativismus vielleicht in den 1980er Jahren sprechen, heute geht das nicht mehr. Auf folgende Probleme gibt das Manifest überhaupt keine Antwort:
- Was bedeuten Ehe und Familie heute: Wie weit kann man die Begriffe öffnen, und wo ist die Grenze? Sollte der Staat die Definitionsmacht über diese Dinge nicht vielmehr wieder ins Private zurück verlegen und sich besser an neutralen Nützlichkeitskriterien orientieren?
- Wie kann lokale, nationale Tradition und Kultur bestehen, angesichts der Globalisierung?
- Wie können wieder mehr Kinder geboren werden?
- Was sagt der Konservative zum internationalen Bündnis von Zeitgeist-Linken und Kapital?
- Wie kann die EU sinnvoll gestaltet werden, jenseits von EU-Fanatismus und Nationalismus?
- Wie kann man das Bündnis mit der angelsächsischen Welt in den Köpfen der Menschen wieder sinnhaftig machen?
- Wie soll Integration jenseits der beiden Extreme Multikulti und völliger Assimiliation aussehen?
- Wie soll man mit dem Islam umgehen, dessen Hauptproblem nicht der Islamismus sondern der Traditionalismus ist?
- Wie kann man von Gott oder Sinn sprechen, wenn immer mehr Menschen sich von den Kirchen abwenden und auch sonst keine Christen mehr sein wollen? Mehr klassisch-humanistische Tradition für alle wagen?
- Wie kann das konservative Denken wieder einen Fuß in die Tür einer Gesellschaft bekommen, in denen sich Linke und Liberale zu Tode gesiegt haben?
Immerhin könnte man sagen, dass das Büchlein eine durchaus brauchbare Bestandsaufnahme früherer Konzeptionen von Konservativismus liefert. Daran kann man anknüpfen. Und noch eine Stärke hat dieses Büchlein: Es wendet konservatives Denken immer wieder auf gegenwärtige Missstände an. Und hier wird manches offene Wort gesprochen, insbesondere auch gegen die anti-konservative Politik von Angela Merkel.
Bewertung: 4 von 5 Sternen.
(Erstveröffentlichung auf Amazon am 09. Februar 2022)