Tolle Grundidee, aber dann einseitig; Empfehlung eines Kontrastbuches

Die Grundidee von Frank Schätzings Thriller „Der Schwarm“ ist grandios: Eine unbekannte Lebensform macht sich plötzlich in den Weltmeeren bemerkbar. Eine Lebensform, wie man sie eher auf einem anderen Planeten erwartet hätte. Eine intelligente Lebensform von ungeahnter Machtentfaltung. Die dazu gehörigen naturwissenschaftlichen Hintergründe sind einigermaßen plausibel und werden recht gut aufgearbeitet.

Doch die Probleme überwiegen.

Das Problem ist nicht, dass Schätzing einige Ideen von Stanislaw Lems „Solaris“ abgekupfert zu haben scheint – das ist völlig legitim. Ebenso gefallen hat die Zeichnung mancher Charaktere, deren Verhalten sich teilweise aus ihren gebrochenen Biographien heraus erklärt. Aber bereits bei den „Bösewichtern“ scheint mir dies nicht mehr gut gelungen zu sein, diese sind allzu eindimensional.

Da sind z.B. der US-Präsident und seine Generalin, die beide auf Fundamentalismus und Gewalt fixiert zu sein scheinen. Die unbekannte Lebensform bezeichnen sie als gottlos und deshalb nicht anerkennungswürdig, ihre Lösungsideen sind Gewalt und Vernichtung. Besonders klischeehaft ist der CIA-Vertreter Vanderbilt gezeichnet: Schweiß absondernd, fettwanstig, zynisch, vulgär, gewissenlos, brutal, unsensibel. Ein Ekelpaket, das zunächst nicht an eine andere Lebensform glauben will, sondern völlig auf Terroristen aus Nahost fixiert ist.

Es ist klar, dass Schätzing hier antiamerikanische Klischees ableiert und vermutlich den US-Präsidenten George W. Bush im Sinn hat bzw. ein Zerrbild desselben, wie es unter Linken gerne verbreitet wird. Da gute Literatur aber nicht propagandistisch sondern aufklärend wirken sollte, ist die Weiterverbreitung von Zerrbildern natürlich völlig unakzeptabel.

Die Story ist leider nicht spannend in dem Sinne, dass man mitraten kann, wer der Täter ist, oder dass man mitraten kann, was die nächsten Ereignisse sein könnten. Vielmehr reiht sich eine Gefahrensituation an die andere, die den Leser durch schockierende Vorgänge in Atem halten. Zudem wiederholen sich gewisse Handlungsmuster. Spätestens wenn das dritte Mal ein ahnungsloses Tauchteam in die Tiefe steigt und dort natürlich in tödliche Gefahr gerät, wird es langweilig.

Wer gegenüber der Treibhaus-Idee skeptisch geworden ist, wird ebenfalls etwas enttäuscht sein, denn diese Idee wird hier ohne Bedenken vorausgesetzt. Auch der Ladenhüter des Golfstromversiegens wird ausgepackt. Und ein durchgeknallter Öko-Indianer wird im Verlauf des Buches zu einer Person von höherer Weisheit aufgebaut.

Das Hörbuch ist übrigens eine einzige Katastrophe. Das Problem ist nicht, dass es als Hörspiel gestaltet wurde, das ist ganz erfrischend. Das Problem ist, dass die verschiedenen Sprecher in ihrer Lautstärke massiv variieren. Insbesondere Frauenstimmen sind manchmal extrem leise im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen. Selbst zuhause am PC ohne Kopfhörer bekam man nicht alles mit, und in der S-Bahn war es ganz unerträglich. Schade!

Fazit

Das Buch ist literarisch leider nur mittelmäßig und kann eigentlich nur einer ganz bestimmten Meinungsklientel gut gefallen. Als ideales Kontrastbuch sei der Roman „State of Fear“ („Welt in Angst“) von Michael Crichton empfohlen: Dies ist ebenfalls ein Öko-Thriller, aber alle Meinungsakzente sind hier genau gegenteilig gesetzt; das vergleichende Lesen beider Werke ist sehr reizvoll und erhellend, egal welche Meinung man präferiert.

Bewertung: 2 von 5 Sternen.

(Geschrieben Januar 2011)