Ein „Ausflug“ aus der DDR in den dekadenten, linksliberalen Westen

Friedrich Christian Delius ist wie immer ein Meister der Introspektion: Man sieht bei ihm, wie „es“ im Menschen denkt. Das macht die Lektüre allerdings auch anspruchsvoll. Diesmal geht es um einen DDR-Bürger, der ohne politische Absichten einfach nur auf den Spuren Seumes nach Italien reisen und dann wieder zurückkehren möchte.

Die erste Hälfte des Buches über erlebt man mit, wie die Flucht geplant wird, wie dabei ein Gedanke den nächsten jagt, wie das Denken vorwärts auf das eine Ziel hin drängt. In der zweiten Hälfte des Buches erlebt man die Begegnung mit dem Westen. Das völlige Unvermögen der dekadenten, linksliberalen Wessis, den unpolitischen Ossi zu verstehen, ist sehr gut getroffen. Erst in Italien fühlt sich der DDR-Bürger als Deutscher und Diktaturopfer ernst genommen.

Das Buch wäre in besagtem dekadenten Westen vor 1989 wohl ein Skandalbuch geworden; da es aber erst in den 90er Jahren geschrieben wurde, winken viele heute nur ab: Stasi und Mauer gelten als ferne Vergangenheit. Sie begreifen nicht, dass das dekadente, linksliberale Denken, das vor 1989 im Angesicht der DDR-Diktatur versagte, auch heute noch herrscht, und immer wieder aufs neue an immer wieder neuen Themen versagt; oder sie begreifen es, und wollen nicht mit Kritik belästigt werden.

Bewertung: 5 von 5 Sternen.

(Erstveröffentlichung auf Amazon am 06. August 2012)