Handbuch für kommende Politiker – lesenswerte Zusammenstellung

In diesem Buch abstrahiert Sarrazin völlig von den aktuellen Problemen und erklärt, was gute Politik ausmacht, und wie der Politikbetrieb funktioniert. Die aktuellen Probleme kommen zwar vor, werden aber als Fallbeispiele für schlechte Politik besprochen. Damit hat Sarrazin eine Art Handbuch für künftige Politiker geschrieben, aber auch eine Grundlage des Verstehens für Wähler gelegt, warum Politik so läuft wie sie läuft. Es gibt nicht die große Verschwörung, sondern es gibt viel Dummheit und Machtgerangel.

Sarrazin erklärt einmal mehr, wie gute Politik aussehen sollte, und warum die aktuelle Politik falsch ist, denn sie beruht auf Wunschdenken, das die Realität ausblendet. Der gute Politiker sollte eine langfristige Perspektive haben, auch eine Rückbindung an Philosophie, hier z.B. Karl Popper. Kurzfristig wird er jedoch wenig erreichen, und seine Themen nur durchsetzen, wenn der Moment günstig ist. Nicht das bessere Argument, sondern Machtkonstellationen entscheiden häufig darüber, welche politische Meinung sich durchsetzt.

Für erfahrene Vielleser ist das Buch ein wenig hausbacken und wiederholt vieles, was man auch woanders her schon kennt. Doch es ist eine schöne Zusammenstellung von Überlegungen, die – wie gesagt – fast schon Handbuchcharakter haben.

Was fehlt ist eine Besprechung der konkreten Mode-Ideologien, die den Zeitgeist früher und heute beherrschen, sagen wir angefangen mit den 1950er Jahren.

Außerdem ist Sarrazin gegenüber militärischen Interventionen in Nahost zu skeptisch. Sicher wurde dabei auch schon viel falsch gemacht, aber gar nicht zu intervenieren könnte auch falsch sein. Obama hat den Nahen Osten jedenfalls nicht friedlicher gemacht, indem er in Ägypten den Muslimbruder-Präsidenten stützte, in Syrien mitzündelte, in Libyen Gaddafi wegbombardierte, ohne einen Plan für das Danach zu haben, und natürlich auch die Truppen aus dem Irak kopflos abzog, um die Bahn für den IS freizumachen, der dann aus Syrien in den Irak einfiel. George W. Bush hingegen hat den Irakkrieg vor Ort durchgefochten, bis der Terror besiegt war, und ist darüber hinaus dort geblieben, und bis heute stellen die irakischen Kurden und die irakische Regierung zwei (den Umständen entsprechend) demokratische Stabilitätsfaktoren in der Region dar, die sich George W. Bush verdanken, und die heute den Kampf gegen den IS führen. Man muss eine Intervention eben ganz oder gar nicht machen, könnte man sagen.

Bewertung: 4 von 5 Sternen.

(Erstveröffentlichung auf Amazon am 03. Oktober 2016)