Demokratie-blinde Analyse der (leider) rechtsradikal gewordenen AfD

Melanie Amann hat zwar Recht: Die AfD (von heute) ist eine rechtsradikale Partei. Aber man kann die AfD nicht korrekt analysieren, ohne gleichzeitig den bedenklichen Zustand der BRD-Demokratie zu analysieren.

Der Gründungsimpuls der AfD war keineswegs Sarrazin. Der Gründungsimpuls der AfD war der Bruch von Staatsverträgen, Verfassung und Gesetzen durch die Merkel-Regierung, in „alternativloser“ Komplizenschaft mit den anderen etablierten Parteien, um den Euro zu „retten“. Unsere Demokratie war durch die „alternativlose“ Ununterscheidbarkeit der etablierten Parteien in immer mehr Politikfeldern schon davor in einer Krise, aber durch den formalen Bruch der demokratischen Grundregeln hatte unsere Demokratie nun einen echten Hau abbekommen: Und genau das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, genau das war der Gründungsimpuls, der Bernd Lucke und andere völlig seriöse Menschen zusammenbrachte, um die AfD zu gründen. Als liberal-konservative Partei.

Erst im Laufe der Zeit ist die AfD immer rechter geworden, bis sie schließlich die Grenzen zum Rechtsradikalismus überschritten hat (meiner Meinung nach war das im Sommer 2016, und nicht schon mit dem Abgang von Lucke). Heute schafft es die AfD nicht mehr, sich glaubwürdig von Antisemitismus abzugrenzen. Björn Höcke hält Reden im unverhohlenen Hitler-Duktus.

Und was den Islam anbetrifft, so ist die AfD schon längst von den Weisheiten Sarrazins abgewichen, der in seinem berühmten Buch auf S. 268 den folgenden klugen Satz schrieb: „Liberale Muslime wehren sich dagegen, ‚dem Islam‘ als solchem bestimmte Eigenschaften zuzuschreiben, und damit haben sie Recht. … Leider ist aber nicht zu bestreiten, dass unter den vielen teils uneindeutigen, teils widersprüchlichen Strömungen des Islam ein Gesellschaftsbild dominiert, bei dem die Trennung von Religion und Staat weitgehend noch nicht angekommen ist, die Gleichberechtigung der Geschlechter kaum existiert“. — Anders als Sarrazin lehnt die AfD von heute den Islam pauschal und radikal ab, und hat die die Solidarität mit Islamreformern aus ihrem Programm herausgestrichen. [PS 30.07.2023: Zum Islam hat Björn Höckes AfD-Fraktion im Thüringer Landtag Mitte 2016 eine Schrift veröffentlicht, die eine antihumanistische Haltung zum Thema Islam formuliert. Der Islam sei inhärent traditionalistisch, denn die „säkularen“ Ideen von Vernunft und Aufklärung könnten auf den Islam angeblich nicht angewandt werden. In islamischen Ländern habe der Islam seinen guten Platz, nur nach Europa gehöre er nicht. Auf dieser ideologischen Grundlage kann die AfD mit islamischen Traditionalisten und Islamisten weltweit kooperieren, während sie Islamreformer grundsätzlich ablehnt und auch keinen liberalen Islam in Deutschland möchte.]

Die AfD ist heute also rechtsradikal und damit abgehakt.

Die fundamentalen Probleme der BRD-Demokratie sind damit aber noch lange nicht abgehakt. Unsere etablierten Parteien brechen immer noch Staatsverträge, Verfassung und Gesetze. Unsere etablierten Parteien vertreten in vielen Politikfeldern immer noch eine derart einheitliche Meinung, dass andersdenkende Bürger praktisch keine Wahl bei der Wahl haben. Wer darin keine ernsthaften, fundamentalen und über kurz oder lang auch gefährlichen Probleme sieht, darf sich nicht Demokrat nennen.

Melanie Amann hat das falsche Buch geschrieben. Hier geht es schon lange nicht mehr um die AfD. Hier geht es schlicht um das Überleben der Demokratie in unserem Land. Aber dazu hat Melanie Amann nichts zu bieten. Und ja: Ich habe Angst davor in einem Land zu leben, das keine Demokratie mehr ist. Echte, berechtigte Angst.

Bewertung: 3 von 5 Sternen.

(Erstveröffentlichung auf Amazon am 15.04.2017)